Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik
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Antje Schrupp: Gestern las ich in der Frankfurter Rundschau einen Artikel (von Peter Michalzik) über Väter, den ich interessant fand: Er beschäftigt sich mit dem Phänomen, dass es "Väter" in dem traditionellen Sinn immer weniger gibt, sondern eine Rollenaufspaltung zwischen "leiblicher Erzeuger" und "real erziehender Papi", weil nämlich - durch Partnerwechsel der Mütter - die Väter im Leben eines Kindes wechseln, die Mutter aber konstant bleibt. Und er ruft die Männer dazu auf, sich die Rolle des Vaters neu zu erfinden. Warum mich das Thema interessiert: Im Urlaub war ich zusammen mit einem solchen "Stiefvater" und wir haben einen ganzen Abend darüber geredet. Das Problem der heutigen Stiefväter - anders als früher bei den Stiefmüttern - ist nämlich u.a. auch, dass die leiblichen Väter meistens ja auch noch da sind. Denn heute gehen Liebesbeziehungen ja oft nicht mehr im Streit oder wegen Tod auseinander und die Exe haben weiterhin eine Beziehung zu den Kindern. Das führt zum Beispiel zu Problemen in der Benennung, konkret: Dieser Mann, mit dem ich geredet habe, weiss nicht, wie er sich von den Töchtern seiner jetzigen Lebensgefährtin nennen lassen soll, denn das Wort "Vater" ist ja schon von einem anderen besetzt. Und das Problem hat er auch, wenn er seine Erziehungsaufgaben wahrnimmt, z.B. bei Elternversammlungen in er Schule - wie stellt er sich da vor? Das wäre noch ein Fall für unser Projekt, das wir schon mal angesprochen hatten, nämlich für Beziehungskonstellationen, für die es keine Wörter gibt, welche zu erfinden (interessanterweise kommt auch der FR-Artikel zu diesem Thema und schlägt etwa "Papa" vor, ein Wort, das in einem zukünftigen Duden etwa definiert sein könnte als "ugs. für ehemals Vater. Strikt zu trennen vom biologischen "Erzeuger"). Eine andere Möglichkeit wäre vielleicht, sich an das Wort Vater im Plural zu gewöhnen - warum soll jemand nicht mehrere Väter haben, so wie ich mehrere Mitbewohnerinnen? Aber vielleicht sind getrennte Begriffe doch besser, weil es ja unterschiedliche Beziehungen gibt: Aus meiner Sicht wären drei Wörter notwendig: Eins für den biologischen Vater, eins für den derzeit real-existierenden Vater und eins für die Väter, die dazwischen lagen... Aber das Thema hat noch andere interessante Aspekte, vor allem finanzielle. Dieser besagte Mann aus meinem Urlaub beschwerte sich zum Beispiel über folgendes: Als "seine" ? beiden Töchter kürzlich Schulausflüge machen sollten, die für jede 300 Mark kosteten, teilte die Mutter diese Kosten zwischen sich und dem leiblichen Erzeuger auf, womit der "Stiefvater" seine Rolle herabgewürdigt fand. Er hätte es besser gefunden, auch zur Kasse gebeten zu werden. Das ist doch im Zusammenhang mit unserem Hausökonomiethema eine Perspektive - die finanzielle Belastung durch Kindererziehung könnte künftig also durch drei (vier, fünf) geteilt werden und nicht mehr durch zwei? Und schließlich kommt mir dabei noch ein drittes Thema in den Sinn, nämlich das der selbstbestimmten Vaterschaft: Ich kenne nämlich nun schon zwei Männer (dieser aus dem Urlaub ist der zweite), die Kinder bekamen, obwohl sie sich einmal zu dem Zweck, keine Väter zu werden, hatten sterilisieren lassen. Das heißt, ob jemand Vater wird, hängt nicht mehr davon ab, ob er mit einer Frau ohne Verhütung schläft, sondern davon, ob die Frau, in die er sich verliebt, Kinder hat oder nicht. In dem anderen Fall, den ich kenne, ist die Situation nämlich noch krasser - die Frau, mit der der sterilisierte Mann zusammenlebte, beschloss, eine Tochter zu bekommen und trennte sich deshalb von ihm, wurde von einem anderen schwanger, und kehrte dann, weil sie ihn ja doch liebte, zu dem sterilisierten zurück. Dessen Liebe war nun ebenfalls so gross, dass er in den sauren Apfel biss. Und als doch Vater ist - das Mädchen ist jetzt etwa fünf. Die Frau, ganz emanzipiert und verantwortliche Mutter, besteht selbstverständlich darauf, dass sich der "Zwangsvater" (noch ein neuer Begriff?) an der anfallenden Erziehungsarbeit ganz gehörig beteiligt. Hört sich doch an, wie ein modernes Märchen, oder ... (29.7.01)
Fidi Bogdahn: deine mail so am Sonntagvormittag angekommen - welch ein Kontrast zur vorangegangenen Radio-Predigt zum Thema "Man(n?) kann auch allein leben" (und dann noch die köstlich passende Werbung unter deiner mail...) Aus der Predigt kommt mir ein Gedanke zu deinen stories: nicht so sehr aus der Sicht jeweiliger Zweierbeziehungen sehen, sondern, dass Leben immer etwas ist, was in Netzwerken pulsiert. Wie eine Kette nur Kette ist, wenn alle "Perlen" auf einem gemeinsamen Faden aufgefädelt sind. Da kann eine Perle bunter oder größer sein oder mir einfach besonders gefallen... wenn ich mein Leben als Ganzes sehe, dann bin ich "gekettet" zu einem Lebens-Schmuck. Ich mein halt bloß: je nachdem wie du die Perlen ansiehst -als Einzelstücke oder in ihrem Zusammenwirken mit allen und allem anderen... das wird Auswirkungen haben auf die "Namensfindung" . (29.7.01)
Christof Arn: Ich war wie gesagt knapp fünf Jahre alleinerziehender Vater von drei relativ kleinen Kindern und lebe seit einem Jahr mit meiner "neuen" Partnerin in deren Haus zusammen - und selbstverständlich mit den Kindern. Diese Familienform finde ich ganz super, weil sich aus deren Geschichte ergibt, dass ich schwergewichtig die Sachen mit den Kindern übernehme. Ich finde, die Wertungen, Normen, oder vielleicht noch besser ganz einfach: die Gewohnheiten unserer Kultur haben so einen "Drive", Frauen auch ganz subtil in die Haus- und Familienarbeit hineinzukomplimentieren und Männer von dort hinaus. Darum finde ich dieses Gegengewicht ganz praktisch. Sonst muss man immer das ganze Gegengewicht aus der Beziehung hinaus selbst herstellen. Nur ein kleines, lustiges Beispiel: Wir haben in den Ferien im Ausverkauf ziemlich Kleider eingekaut, zumeist gemeinsam, und da hat dann die Verkäuferin beim Bezahlen meine Partnerin nachdrücklich instruiert, meine neuen Hosen zu Wenden zum waschen. Ist ja ganz nett, aber ich wende einigermassen schöne Hosen eigentlich immer zum waschen. Das gibt dann immer so komische Situationen und der Teil- oder Vollzeithausmann hat den Eindruck, ziemlich ab von der Welt zu stehen. Dasselbe gab's im Hallenbad, als ich als Ersatz für die zuhause vergessenen Badkleider welche mietete: Die Frau an der Kasse wollte partout nicht glauben, dass ich 100%ig weiss, welche Kleidergrösse jedes meiner Kinder im Moment hat und ausserdem den Dingern auch ansehe, ob die Grösse in etwa stimmt. Die Frau glaubte meinen Worten also gar nicht, wandte sich hilfesuchend an meine Partnerin, welche zu diesem Zeitpunkt diese Frage aber nicht beantworten konnte. Bei uns stellt sich teilweise auch die Frage der Bezeichnung für meine Partnerin aus der Perspektive der Kinder. Ich finde das aber nicht so ein Problem. Die leibliche Mutter wollte von Anfang an nicht als "Mami" angesprochen werden, mir war's mit "Papi" auch nicht gerade wohl und so gebrauchen die Kinder für die leiblichen Eltern die Worte "Mutter" (Schweizer Mundart "Mu-eter") und "Vater". In den unterschiedlichen Dialekten in der Schweiz (ich bin herkunftsmässig Berner, aufgewachsen im Kanton St. Gallen, wo der Dialekt wieder anders ist als in Bern, wo die Familie ingesamt am meisten wohnte und nochmals anders als im Bündnerland, wo wir jetzt wohnen) gibt es "Mami" (u.a. zürcherisch), "Mueti" (st. gallerisch), "Müeti" (bernerisch), "Mama" (bündnerisch) und wohl noch mehr. Genauso gibt es "Papi", "Vati", "Papa" usw. Ich meine, die Kinder können da in Absprache mit der Person, auf die sie die Bezeichnung anwenden wollen, locker auswählen. Ich wäre eher gegen ein neues einheitliches Wort, weil nämlich meine jüngste Tochter noch zu einer Frau eine sehr innige, mutter-kind-artige Beziehung aufgebaut hat. Dort braucht sie allerdings einfach den Vornamen als Bezeichnung. Ich denke, dass jede Einheitsbezeichnung von der Verschiedenheit der Familienverhältnisse schnell überholt wird. Mir kommt übrigens in der Diskussion der Mailingliste einmal mehr die Sicht der alleinerziehenden Väter (immerhin etwa 10% der Alleinerziehenden) zu kurz, d.h. sie ist überhaupt nicht da. Damit werden übrigens auch Frauen aus der Diskussion ausgegrenzt (nämlich die "Stiefmütter" in Folgefamilien)! Ich finde, die Diskussion ist in diesem Punkt recht beharrlich rollenkonservativ. Ich wage jetzt mal einen Streit (was nicht gerade meine Stärke ist, aber mann kann ja lernen) und stelle folgende Erklärung für die Ausgrenzung der männlichen Alleinerziehenden aus der Mailing-Listen-Diskussion (und aus der ganzen Flugschrift, würde ich behaupten) zur Diskussion: "Frauen verlangen von den Männern, dass sie sie in der Familie entlasten, signalisieren aber auch gleichzeitig, dass sie ihrer familialen Machtdomäne, der Beziehungsmacht, nicht zu nahe kommen dürfen" (Böhnisch 2001). Echte Hausmänner aber (und alleinerziehende Väter sind das vermutlich häufiger), das ist logisch zwingend, entfalten sich in der "familialen Machtdomäne". Sie sind damit für Frauen, die das, wie Böhnisch feststellt, nicht wollen, eine schwere Bedrohung. Ich selber habe da Glück gehabt, weil die beiden "Mütter" meiner Kinder genügend anderes Terrain hatten und haben, also auf die eigene familiale Macht nicht so sehr angewiesen waren. Ich konnte daher meine eigene "Beziehungsmacht" aufbauen, wurde darin sogar unterstützt, was nicht heisst, dass ich sie nicht auch mal verteidigen musste. Ich denke aber, dass ich das, wenn überhaupt, dann fair und oft feinfühlig gemacht habe. Nämlich, und das möchte ich unbedingt gesagt haben, bevor, so hoffe ich, die Mailingliste über diese Erklärung herfällt (mit Recht gewiss, aber ich glaube doch, dass sich dieser Streit für uns alle lohnen wird, falls beide Seiten bereit sind, sich auf ihn einzulassen): Ich finde es einleuchtend und auch legitim, dass Frauen die Beziehungsmacht nicht hergeben wollen, solange sie andere Macht kaum haben. Nur komme ich da jetzt als (ehemaliger) alleinerziehender Vater genau in diese Opfer-Position des Verschwiegen-Werdens, in der Frauen sehr oft waren und sind. So wie der weibliche Lebenszusammenhang in den main/male-streamigen Diskursen nicht vorkommt (Ina Praetorius), kommt der (wirkliche, beziehungsmächtige) hausmännliche Lebenszusammenhang im Flugschrift-Diskurs nicht vor. Das ist natürlich das viel kleinere Übel. Denn dieser hausmännliche Lebenszusammenhang ist eine rare Sache, ganz im Unterschied zum weiblichen Lebenszusammenhang, aber eben: Ich glaube, das ist nicht der alleinige Grund des Ausschlusses. Und ich glaube, dass eine Beendigung dieses Ausschlusses einige spannende Chancen in sich birgt. (29.7.01)
Antje Schrupp: ich glaube, die Erklärung für das Fehlen der Alleinerziehende-Väter-Perspektive in der Mailingliste ist viel banaler: Du bist ja der einzige Mann hier drauf (glaub ich zumindest). Deine Aufzählung der verschiedenen Bezeichnungen für Papa und dein Plädoyer dafür, keine neuen Worte zu suchen, bringt mich auf folgende Idee: Wenn es heute so viele Vater-Kind-Beziehungsstrukturen gibt, die man aber nicht begrifflich unterscheiden sollte, aber nur eine Mutter-Kind-Beziehungsstruktur (auf dieser These beharre ich) dann ist "Vater" vielleicht in Zukunft nicht mehr das Pendant zu "Mutter", sondern das zu "Tante" - als Bezeichnung für eine wichtige, männliche Bezugsperson, die aber nicht die Mutter ist (so wie die Tante eine wichtige weibliche Bezugsperson, die nicht die Mutter ist). Und du wärst dann vielleicht gar kein Vater, sondern eine Mutter männlichen Geschlechts? (eine Irritation, aus der sich dann die Begebenheiten erklären, die du schilderst?) (29.7.01)
Rosadora Trümper: die 'sicht', die hier erwähnt wird, geht doch von frauen aus - oder bin ich da (noch) nicht richtig informiert. ich habe die 'flugschrift' noch nicht. (kann ich sie im internet abrufen, habe sie aber bestellt). die diskussionsbeiträge habe ich zum grossen teil ausgedruckt und noch nicht alle gelesen. 'weiberwirtschaft' hiess doch die tagung, die diese form der kommunikation anregte, oder? die probleme, name (vater), geld (DM 300 für wanderausflug), grösse (badeanzüge)etc. sind so 'persönliche probleme', dass ich mir wünsche, sie würden auch im privaten rahmen gelöst und mir hier einen anderen ansatz wünsche. NAME ein 'vater' ist ein vater ist ein vater... ein vater ist ein papa ist ein papi, ist ein vati... eine 'mutter' ist eine mutter ist eine mutter... eine mutter ist eine mama, ist eine mami, ist eine mutti... und das sind für mich alles benennungen für einunddieselbe person. die stiefmutter/vater kann weder mutter, mamma, mami oder mutti werden. die konfusionen sind vorgezeichnet. sie haben namen und sind auch mit diesen zu benennen. die klare benennung für das geschehen (trennung) ist von wichtigkeit. kinder können damit leben, wenn ihre mutter/vater anderswo leben, wenn sie nur den kontakt nicht verlieren und von der 'neuen familie' nicht ausgeschlossen wird. allein bei diesen wenigen sätzen habe ich schon drei 'grundthemen', die ich neu bedacht haben möchte. 1) die allmächtige mutter - der allmächtige vater: wenn ich mir schon als kind meine mutter/vater in jeder verfügbaren person suchen kann, und sich dies dann in mein späteres erwachsenenleben in der weise hineinschleppt, dass ich meinen partner/partnerin 'mutti/vati' nenne, habe ich genau das problem erzeugt, was in meiner generation zur sprache und in therapiekreisen weidlich 'beackert' wurde - die lösung von der mutter/vater. (ich stelle es zur diskusion) 2) name: jeder mensch hat einen, zwei, drei, vier namen, mit dem sie/er dann später zufrieden ist, ihn füllen kann, oder auch ablehnt. es ist eine sache des bewusstseins, wie ich damit umgehe. mir ist sehr wichtig, wer ich bin und mache das auch zu einem grossen teil an meinem namen fest. 'verniedlichungen' sind nur etwas ganz intimes. ich finde es auch für ein kind demütigen, (in der öffentlichkeit) 'mäuschen', 'püppchen', 'hasilein' genannt zu werden - geschweige denn die 'verniedichung' und verstümmerlung des eigentlichen namen (rosemarie - rosi, gundula - gundi, magdalena - mädi, herrmann - männli) bis ins erwachsenenalter zu (er)tragen. (diskussion) 2) ehe: zu meiner zeit war es zum 'maulzerreissen' (und noch mehr), wenn frau/mann sich scheiden liess. heute sind es zwei, drei, vier und oft noch mehr ehescheidungen im leben von paaren. schon zu meiner zeit haben wir nach anderen formen des zusammenlebens gesucht, die eine freiere entwicklung der kinder und freieres umgehen der erwachsenen untereinander möglich machen sollten. dass dies nun heute fast kein thema mehr ist -vielleicht entwickelt es sich fernab von mir - erstaunt mich, da die unzulänglichkeiten, ehe als möglichkeit zu sehen, doch auf der hand liegen, mehr denn je. üben kirche und gesellschaft auf die menschen eine so grosse macht aus, dass es ihnen unmöglich wird, etwas anderes zu entwickeln und sich davon zu befreien? ich stelle zu dem thema noch die frage, müssen lesben/schwule dieses modell nachahmen, wo es doch ein so schlechtes ist, nur um in finanzielle und gesellschaftliche anerkennung zu finden? wäre es nicht an der zeit, diese anerkennung (auch finanziellen zuwendungen) allen menschen zugutekommenzulassen, egal, in welcher form sie zusammenleben. ist da nicht das vorurteil gegenüber dem anderen versteckt (menschen, ausländer, lebensformen, hautfarbe, frauen)? ich lebe seit vier jahren in der schweiz. wie hier die einstellung familien, frauen gegenüber ist - das liegt hundert jahre von dem entfernt, was ich bisher gedacht habe... (entschuldigung - ich erfahre es so). soweit erst mal - mir fällt noch vieles dazu ein. (31.7.01)
Rosarora Trümper: familienformen: für mich geht es nicht darum, männer dorthin zu 'komplimentieren', wo frauen einst ihren lebensinhalt suchten und nicht fanden. als 'echter hausmann' (sorry, was ist das) solltest du nicht glauben, dass das die neue lebensform der männer sein wird und sein sollte. das sind 'übergangsformen', die nicht halten, genausowenig, wie 'echte hausfrauen' nicht erstrebenswert sein können. die heutige entwicklung geht doch dahin, dass frau wie mann einen beruf haben und eine neue form des 'familien'-lebens ersinnen müssen. familie ist doch nicht die lösung. anhand der zur zeit gemachten erfahrungen müsste das doch klar sein und das bestreben dahin gehen, etwas anderes tragbares, freieres zu kreieren und zu leben. die bezeichnungen 'familiale macht' und 'beziehungsmacht' bezeichnen genau das, was in vielen familien stattfindet - macht, unterdrückung, demütigung, vergewaltigung und vieles mehr. in der 'opfer-position' bist du genau solange, wie du dir nicht ein tragbareres modell überlegst. als 'echter hausmann' wirst du dir genau die demütigenden blicke und meinungen anderer anhören müssen, wie frauen sie bisher ertragen mussten. wenn du 'beleidigt' bist, weil eine verkäuferin dir rät, die 'neue hose zu wenden', hast du ein problem, was du dir selbst machst. mir rät sie es ebenso - es ist nur ein rat, damit du länger etwas von deiner hose hast... 'kleidergrössen' - die kinder sollten so selbständig sein, dass sie ihre badeanzüge nicht vergessen, wenn sie ins schwimmbad wollen... wenn du als 'echter und 'vollzeithausmann' das gefühl hast, 'ziemlich ab von der welt' zu stehen - die welt kannst du nicht ändern, aber deinen standpunkt. (30.7.01)
Christof Arn: Ich finde die verschiedenen Positionen, die jetzt auf dem Tisch sind, sehr spannend. Die Möglichkeit, die Antje eingebracht hat, alleinerziehende Väter als "Mütter männlichen Geschlechts" zu begreifen, leuchtet mir sehr ein. Sie entspricht dem, dass ich mich gelegentlich dabei ertappe, von "anderen Hausfrauen" zu sprechen oder zu denken, mich also in den Kreis der Hausfrauen einschliesse, mich also nicht als Hausmann begreife. Eine Frage ist dann, wie die These von der immer einen Mutter-Kind-Beziehung auf die (zugegebenermassen gegenwärtig sehr hypothetische) Situation beziehen liesse, in der sich zwei Eltern (es kann auch ein lesbisches oder schwules Paar sein) die Verantwortung und Arbeit für ein Kind wirklich hälftig aufteilen würden. Bei Rosadora erkenne ich die Thematik der Beziehungsmacht wieder im Stichwort der "allmächtigen Mutter" bzw. des "allmächtigen Vaters". Mitangesprochen ist das Thema "Macht in der Beziehung" auch beim Thema "Ehe" etwas später im gleichen Mail. Ich denke, dass es sehr gewichtige Gründe gegen die Ehe gibt und viele sehr gute, selbstbestimmtere Formen. Nach meiner Erfahrung unterschätzen manchmal Leute, die sehr gegen die Ehe votieren, ihrerseits das Bindungsbedürfnis. Zu sagen, dass es ein persönliches Bindungsbedürfnis gibt, das sehr stark sein kann, ist ein Tabu in der (neo- bzw. pseudo-) liberalen, hochmobilen Gesellschaft. Ein Mann, der über geschiedene Männer geforscht und ein Buch darüber geschrieben hat, hat sich darüber geärgert, dass die geschiedenen Männer dann doch allermeist wieder heiraten - und sogar oft bald. Er hat als männergerechteres Modell in der Zeit der hochmobilen Berufsarbeit vorgeschlagen, verschiedene Frauen in unterschiedlichen Städten zu haben. Das würde natürlich an sich aufgehen, wenn diese Frauen ihrerseits einfach verschiedene Männer hätten, die sie also je nach dem, wohin sie ihre berufliche Tätigkeit gerade führt, besuchen würden. Neben der ganzen sonstigen Kritik an diesem auch frauenfeindlichen Modell finde ich, dass hier das Bindungsbedürfnis der Personen stark unterschätzt wird. Ich empfinde das Bindungsbedürfnis als Tabu sowohl im Main-/Mail-Stream als auch in grossen Teilen der feministischen Theorie. Allerdings leuchtet es mir auch ein, dass dieses Thema in der feministischen Theorie bisher einmal am Rande gelassen wurde. Die Verschiedenartigkeit der Positionen in unserer Diskussion und die verschiedenen Lebensformen, die nebeneinander existieren, finde ich sehr positiv. Meine Utopie einer Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die es schafft, möglichst viel Vielfalt - wie eine Blumenwiese - zu ermöglichen, statt Ehe- (und Scheidungs-)Monokulturen, Männerdominanzkulturen und andere Monokulturen etc. zu züchten. (Weiter auf Seite Verfassung) (1.8.01)
Ina Prätorius: Dass mit der Abschaffung der Ehe das Bindungsbedürfnis unterschätzt bzw. tabuisiert wird, meine ich auch. Ausserdem gibt es noch etwas Urmenschliches, das bei allen diesen hochflexiblen Modellen (wozu das schwedische nicht gehört, was vielleicht wieder ein Vorteil ist) meiner Meinung nach unterschätzt wird: die Trägheit. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Bauern (vor allem die Männer) in meinem Dorf, die mit einer unglaublichen Sturheit an der Lebensform ihrer Grossväter hängen, ein interessanteres Widerstandspotential sind als all die Superflexiblen, die an gar nichts mehr zu "hängen" scheinen. (1.8.01)
Fidi Bogdahn: Warum -so frage ich euch- warum überhaupt noch diese "Mamas" und "Papas" etc? Wäre es nicht viel glaubwürdiger, die Vornamen oder Kosenamen zu nennen? So wie die Kinder meist auch beim Namen genannt werden und nicht "Kind". Und ob Christof als Vater "gesehen" wird, hängt doch nicht daran, dass eine "Vater" sagt. Ich -so Außenstehende- empfinde diese Bezeichnungen oft als eine starke Reduzierung der Person auf diese Mutter/Vater-Funktion, - und dem dann leicht draus erwachsenden Machtgefälle bis zu der Eigentumsaussage "mein Kind" ("mein Mann"...). Ich habe was gegen den Mythos "Eltern" (aus Sicht des Kindes möchte ich Graugans sein -ich entscheide...) (1.8.01)
Antje Schrupp: gegen den Mythos Familie habe ich auch was und auch gegen all das Verkorkste, das es im Zusammenhang mit Familien gibt. Aber es gibt aus meiner Sicht einen wichtigen Vorteil dieser Bezeichnungen gegenüber blossen Namen: Sie drücken nämlich eine Beziehung aus. Ich finde es gut, wenn es für Beziehungen zwischen Menschen Worte gibt wie Mutter, Vater, Tante, Enkel, aber natürlich auch Freundin, Lebensgefährtin, WG-Mitbewohnerin, Nachbarin, Reisebekanntschaft usw. Einige davon drücken aus, dass es sich um eine Beziehung zwischen Ungleichen handelt (Mutter - Tochter, Tante - Nichte). Das ist zwar auf den ersten Blick ein Ärgernis, auf den zweiten Blick finde ich es aber gut, weil Ungleichheit die Voraussetzung oder die Basis für Autorität ist. Also Ungleichheit nicht als Ärgernis, sondern als Fülle, als etwas Positives verstanden. Was wir am Beispiel der Mutter-Tochter-Beziehung sehen können. Das was wir daraus lernen, sollten wir in anderen Beziehungen wiederzuentdecken suchen, und nicht dem falschen Ideal der Gleichheit hinterherlaufen (nach dem Motto: wir unterscheiden uns durch nichts, als durch unsere Namen). Wenn wir alle nur noch Namen haben und jede Beziehung individuell definieren müssen, dann heißt das, wir stellen uns und unsere Beziehungen nicht mehr in den Rahmen einer symbolischen Ordnung. Wir lehnen die alte ab, schaffen aber auch keine neue. Ich glaube, dann wären wir ärmer als vorher. Was nicht heißt, dass alle deine Einwände nicht richtig wären. Ich glaube nur, wir müssen sie anders lösen als du das vorschlägst, (9.8.01)
Alisa Liebig: Ich bin mehr oder weniger zufaellig auf dieses Diskussionsforum gestossen und damit genau bei der Problematik, welche ich selbst gerade erlebe. Der leibliche Vater meiner Tochter hat sich schon waehrend meiner Schwangerschaft rar gemacht und sich ausserdem aeusserst "unvaeterlich " verhalten. Er hat bis heute keinen Pfennig Unterhalt gezahlt und hat sich besonders durch Unverantwortlichkeit ausgezeichnet, sich nicht gekuemmert, als meine Tochter klein war.Irgendwann kam dann doch Interesse auf und mittlerweile klappt es auch einigermassen, d. h. meine Tochter hat einen Bezug zu ihm aufbauen koennen und er ist nun auch in der Lage, zu wickeln .Nach wie vor, hat er Probleme, sie kindgerecht zu behandeln.Aber aufgrund ihres immer groesser werdenden Wortschatzes, habe ich nun weniger Angst, wenn sie bei ihm ist. In der Zwischenzeit habe ich meinen jetzigen Lebenspartner kennengelernt, meine Tochter kennt ihn seit ihrem ersten Lebensjahr. Fuer sie ist er ihr "Papa". Und zwar hat sie selbst damit angefangen, ihn so zu nennen.Begonnen hatte das bei einem gemeinsamen Urlaub,die Vermieter der Ferienwohnung fragten meine Tochter :was macht der Papa ? Soll ich nun alle Leute aufklaeren, dass es sich nicht um den leiblichen Vater handelt ? Spaziergaenger sprechen meine Tochter an: Gehst Du mit dem Papa schoen spazieren ? Also hat sie angefangen, ihn Papa zu nennen. Er bringt sie in die Krabbelstube ( so wie die "richtigen Papas " ) , er bringt sie ins Bett so wie der Papa von Sara aus dem Gutenachtgeschichtenbuch. Und es soll falsch sein, dass sie ihn so nennt ? ( Das sollte man nicht machen, sagt der Anwalt ) ( Das ist wichtig fuer sie, dass sie selbst entscheiden kann, sagt der Psychologe ) ( Das ist nicht Dein Papa, sagt der Erzeuger ), nachdem er im von mir iniziierten Gespraech vorm Jugendamt erklaert hat, es sei ueberhaupt kein Problem, dass sie meinen Lebenspartner so betitelt. Also drillt der Erzeuger sie nun panikartig, dass nur er der Papa sei , ausserdem geht er aus Rache nicht mehr darauf ein, wenn sie von mir, ihrer Mama spricht. Meine Tochter kommt von ihm wieder und nennt mich ploetzlich nur noch beim Vornamen. ( Dummerweise hat die Erzieherin in der Krabbelstube denselben Vornamen wie ich, meine Tochter denkt also unweigerlich an ihre Erzieherin und nicht an mich-die ich doch einfach die Mama bin ). Daraufhin zeigte meine Tochter auf alle moeglichen Leute in der Stadt und fragte mich :" Das, Papa ?" , " Das, Mama ? "Ich habe ihr daraufhin erklaert sie hat eine Mama und zwei Papas : Papa A. und Papa B. (= Papa+Vorname ) Nichtsdestotrotz bleibt sie dabei, meinen Lebenspartner ausschliesslich Papa nennen zu wollen ( die anderen Kinder sagen ja auch nur Papa ). Und jedesmal , nachdem sie bei ihrem leiblichen Vater war, ist sie komplett verwirrt und verunsichert, weil dieser wiederum ausschliesslich Papa genannt werden will und nicht Papa A. (So nennt sie ihn jedenfalls , wenn sie mir von ihm erzaehlt ). Einmal in der Woche haben wir also ein "NAMENSGEBUNGSDRAMA " (11.3.2002)
Danderl: ich finde PAPA sein, heisst nicht
unbedingt, dass man das automatisch mit der Zeugung eines Kindes ist. Papa sein
bedeutet Verantwortung zu übernehmen, wenn das Kind "gedeihen" und erzogen
werden soll. Also derjenige, der sich um ein Kind kümmert ist der Papa. Wenn es
in der Vater Kind Beziehung nicht klappt, nehemn Kinder sich auch das Recht zu
sagen, du bist nicht mein Papa, lasse mir von Dir nichts sagen und ich nenne
dich ebendrum nur beim Vornamen. Wer soll es entscheiden ? ich denke das Kind,
wer sonst ? in der Erwachsenenwelt ist es eh immer so : 3 Erwachsene und
mindestens 8 verschiedene Meinungen... (22.3.02).
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