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Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

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Ina Prätorius:

Die Frage, wie mit "fremden" Gedanken fair und dennoch für alle erkenntnisfördernd umzugehen sei, hat ja "die Wissenschaft" irgendwann mal sauber (?) gelöst: Zitieren, klare Anmerkungen machen, Literaturverzeichnisse, Trennung von Darstellung und Kommentar - und dann Copyright und so...Was ist jetzt mit alldem im Internet? Ein Gedanke kostet fünf Beenz oder was? Ich persönlich konnte dieses Trennen von eigenem und fremdem "Gedankengut" eigentlich nie so ganz ernstnehmen, obwohl ich mich auch schon diverse Mal geärgert hab, wenn jemand einen Gedanken von mir, auf den ich richtig stolz war, einfach geklaut hat... Trotzdem: in der guten alten Wissenschaft hat's schon nicht funktioniert. Und jetzt, bei all dem Hin-und-Her-Gemaile? Und bei unserem neuen Denken in Beziehungen? Wie kann es noch "Autorinnen" geben, wenn alles in Beziehung ist? Und trotzdem: Meine Bücher, die hab ich ganz schön selber geschrieben! Ich seh da nicht klar. (19.4.2000)

 

Antje Schrupp:

Bakunin hat einmal gesagt, Ideen gehören allen. Und wenn andere Leute seine Ideen verbreiten, dann seien es eben nicht mehr seine Ideen, sondern die Ideen dieser Leute. Er hatte allerdings das Problem von der anderen Seite, weil es nämlich ein Schimpfwort geworden war in bestimmten Kreisen, zu sagen, das sei eine Idee von Bakunin (igitt). Ich bin da ein bisschen zwiespältig. Wenn ich eine Idee habe, die ich wirklich wichtig finde, dann soll die auch in die Welt kommen und ich freue mich, wenn andere sie aufgreifen und weiterverbreiten. Mir ist es schon oft passiert, dass ich z.B. in einer Redaktionssitzung ein Thema vorschlage, alle finden es blöde, und ein Jahr später bringt mein Chef dasselbe Thema vor, als wäre es seins. Oder auch meine Argumente, da ist mein Chef ganz groß drin. Das ist natürlich einerseits ätzend, aber andererseits sagt er so wenigstens vernünftige Sachen (und setzt sie auch durch). Er ist dabei natürlich viel engagierter, wenn er sich einbilden kann, er sei selber drauf gekommen. Andererseits ist das natürlich ein altes Mann-Frau-Schema, dass Männer sich die Ideen von Frauen klauen und sich damit profilieren. Und ich sehe schon ein, dass mein persönlicher Weg, mich in diesen Kontexten einfach nicht (mehr) profilieren zu wollen, nicht allgemein gelten kann. Es kommt ja auch drauf an, womit eine ihr Geld verdient. Ich bin ganz froh, dass ich es nicht mit meinen Ideen verdiene. Aber ich wünsche anderen trotzdem, dass sie mit ihren Ideen Geld verdienen können. Was meine "Aneignung" von Ideen anderer angeht, so fällt das für mich nicht so sehr unter die Rubrik Urheberrecht, sondern unter die Rubrik "Dankbarkeit". Ich bin dankbar dafür, wenn die Ideen anderer mich weiterbringen, beflügeln, inspirieren, aufklären, von Irrtümern abbringen. Und es kommt deshalb für mich eher drauf an, diese Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen (vor mir selber und vor anderen), als die übernommenen Abschnitte im Einzelfall formal zu "zitieren". Denn wenn ich heute eine Radiosendung mache zu irgendeinem Thema, zum Beispiel grade jetzt über Marienverehrung in Brasilien, dann ist da natürlich kein einziges Zitat drin. Aber trotzdem wäre diese Sendung ohne Hegel, Diotima, Andrea Günter und einige andere eben ganz anders geworden. (20.4.2000)

 

Antje Schrupp:

Diese Rundmail kam grade über die Mailingliste "Frauenkirche" an. Ein weiteres schönes Beispiel zum Thema Ideenklau - oder Ideenverbreitung? Ich weiss nicht genau, um welchen Frauenkongress es sich da handelt (ich habe die mails, die schon vorher dazu gekommen waren,  nicht alle gelesen, Ina, Fidi, könnt ihr helfen?), aber ich finde es schon bemerkenswert, dass in der Einleitung zu diesen Thesen die Flugschrift wörtlich zitiert wird. Ein Hinweis darauf wäre natürlich angebracht gewesen. Was mich aber viel mehr stört ist, dass in den anschließenden Thesen doch wieder dieser Gerechtigkeits-Kram kommt, den wir in der Flugschrift ja grade in Frage gestellt haben. Es scheint offensichtlich unter Frauen ein großes Bedürfnis zu bestehen, die schönen neuen Worte der Flugschrift von weiblicher Freiheit und dem Ende des Patriarchats in die alten politisch korrekten Gerechtigkeitsforderungen zu

integrieren. Meiner Meinung nach geht das aber grade nicht. Ich bin mir jetzt ein bisschen unsicher, wie ich darauf reagieren soll: Mit deutlicher Abgrenzung? Oder muss man die Frauen "abholen", wo sie eben stehen? Das ist eine schwierige Frage, finde ich. (22.5.2000)

 

Fidi Bogdahn:

Es handelt sich um den "Frauenkongreß 2000" des Nordelbischen Frauenwerks in Hamburg am Samstag 13.Mai 00 in St. Michaelis. (23.5.2000)

 

Ina Praetorius:

Hallo Antje, ich finds gut, dass Du Dich in der Frauenkirche-Liste zu den HH-Thesen geäussert hast. So kommt nämlich die Verbindung zwischen meinen beiden Lieblings-Listen zustande, die ich mir schon seit einiger Zeit wünsche. Als "Tante" der Flugschrift reagiere ich eindeutig nicht mit Ärger (im Sinne von Klau), sondern mit Freude (im Sinne von Ideenverbreitung), wenn Formulierungen aus der Flugschrift in dieser Weise irgendwo auftauchen, selbst wenn das, was danach kommt, (noch) nicht stimmig oder logisch ist. Für mich heisst das, dass die Flugschrift eine Art Virus von der sehr positiven Sorte ist. Ausserdem freue ich mich immer, wenn  vom "Ende des Patriarchats" die Rede ist, denn das ist eine willkommene Reklame für mein neues Buch... Mehr zum Thema in der anderen Liste. (23.5.2000)

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