Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik
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Danderl:
wie verlasse ich das Neutrum Klischee und werde als Frau erkennbar schonmal mit Blumen am Schreibtisch probiert? ein fraulicher Arbeitsplatz im Büro sollte wohnlich sein, kleine Leckereien auf einem Teller.... , ich da habe z.B ein selbstgebasteltes Deckchen für meine Tasse, zwei wackelnde Hunde und ein schönes Kästchen für meine Schreibutensilien. Bei den Männern sieht es eher nüchtern aus... (18.5.2000)
Susan
Drye: Ja, das sehe ich eigentlich auch so, mit dem Deckchen auf dem Schreibtisch usw. Wie man es auch Wohnungen (und Studentenwohnheimzimmern) meistens auf dem ersten Blick ansieht, ob da eine Frau drin wohnt oder ein Mann. Allerdings muss man dabei natürlich aufpassen, dass wir nicht in Weiblichkeitsklischees verfallen. Ich habe eine Kollegin, die lässt dauernd ihre angetrunkenen Kaffeetassen überall im Büro herum stehen und trotzdem ist sie natürlich eine Frau. (Auch wenn sie sich manchmal nicht so benimmt, haha.:-) Vielleicht ist es wichtig, das ganze nicht mehr so verkrampft zu sehen, wie früher? Mal ein paar lustige Frauenwitze erfinden? (18.5.2000)
Antje
Schrupp: Heute morgen habe ich in der Frankfurter Rundschau (Samstagsausgabe, Magazin) einen interessanten Bericht über die Künstlerin Lily van der Stokker gelesen, die bei der Expo einen 70 mal 50 mal 38 Meter großen Bau als "Pink Box" hat anmalen lassen, im Jugendstil-New-Age-Schnörkel-Design. Sie erzählt, "am Anfang sagten sie alle, wow, das ist eine tolle Farbe, aber dann bemerkten einige Besucher auf der Baustelle, das sei irgendwie doch sehr feminin, dieses Pink". Über ihre eigene Rolle als Künstlerin sagt sie "Ich bin eine Vertreterin der Schönheit, und das macht es leider oft kompliziert" und: "Ich hab eine Obsession fürs Dekorative, für Ausschmückungen". Vielleicht sind das Begriffe, die uns im Bezug auf die Frage, was eine öffentliche weibliche "Präsenz" ist, weiterbringen könnten: Schönheit, dekorativ, Kitsch... - van Stokkers Kritiker und Kritikerinnen sagen, ihr Kunstwerk sei geschmacklos, naiv, sinnlos. Ihre Antwort: "Das was weibliche Dummheit genannt wird, möchte ich als etwas Schönes zeigen". Aufgefallen ist mir dabei eine Ähnlichkeit dieser "Pink Box"-Aktion mit einer krassen Art, Weiblichkeit zum Ausdruck zu bringen, die ich grade in New York beobachtet habe, vor allem (aber nicht nur) bei schwarzen Frauen: Überlange Fingernägel (schlappe 5 Zentimeter über die Fingerspitze hinausragend), die in einem ebensolchen Kitsch-Design "kunstvoll" bemalt, verschnörkelt, dekoriert werden, sind dort offenbar schwer in Mode. Es ist fast schon beängstigend, zu beobachten, wie etwa Verkäuferinnen mit den Spitzen ihrer Nägel Preise in die Kasse eintippen oder Pakete schnüren usw. Selbstverstümmelung? Krallen zeigen? Den Widerspruch zwischen Dekoration und Funktionalität auf die Spitze treiben? Das Beispiel von "Danderl" mit den Deckchen im Büro hat übrigens auch Annarosa Buttarelli in ihrem Aufsatz "Autorität hervorbringen, Macht abbauen" (in dem neuen Diotima-Buch "Jenseits der Gleichheit" übersetzt) aufgegriffen. Sie zitiert darin die italienische Denkerin Carla Lonzi, die dazu schreibt: "Die Wohnungen sind noch einer der wenigen anständigen Orte, an denen dank einer Frau, die sich durchsetzt, Lebensqualität aufrechterhalten wird. Wenn auch noch die Wohnungen in den Händen der Männer wären, ergäbe dies eine Verschlechterung, die für die Zukunft der Menschheit sicher schlimmer wäre, als die Atombombe". (20.5.2000) |