Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik
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auch Seite: Juristinnen
Ina Prätorius: Ich fasse jetzt mal mehrere der angesprochenen Themen samt meinen derzeitigen DIOTIMA-Leseerfahrungen (Danke für die Übersetzung, Antje) zu einer Frage zusammen: Ist das Verhältnis zwischen "Politik der Beziehungen" und "Rechtsstaat" eigentlich ein geklärtes? Was bedeutet es, dass DIOTIMA und Flugschrift unter rechtsstaatlichen Bedingungen agieren, also bestimmte Institutionen und Machtverhältnisse (Universität, Menschenrechte, Parlament...) voraussetzen? Das kommt irgendwie nie richtig vor. Und diese Frage betrifft auch die inzwischen schon mehrfach getroffene Feststellung, dass die Flugschrift in ihrem zweiten Teil, dort nämlich, wo es um Gesetze geht, viel weniger präzise ist als im ersten.Wohlgemerkt: die Frage beinhaltet keinen Zweifel an der Produktivität und Wichtigkeit all dieser Gedanken. Ich möchte bloss jetzt mal wissen, ob da tatsächlich ein blinder Fleck des Ganzen ist oder ob ich mir das nur einbilde. Ich selber schaffe es irgendwie nicht, mich selbst als eine zu denken, die nur noch Politik der Beziehungen macht und "Rechte" überhaupt nicht mehr wichtig findet. Denn wenn es keine Rechte gäbe, würde dann nicht vielleicht morgen meine Nachbarin kommen und mich einfach totschlagen, weil ich sie ein bisschen geärgert habe? Oder was?
Ich
will noch was auf deine Frage, Ina, nach den Rechten/Rechtsstaat etc. sagen und
dazu, warum die Flugschrift da so unkonkret wird (irgendwie schon lustig, in
Bezug auf dein letztes
Mail - ist die Flugschrift nun zu unkonkret oder zu apodiktisch. Ist das
nicht ein Widerspruch?). Ich hatte ja schon mal gemailt, dass wir Autorinnen an
solchen Punkten uneins waren/sind. Wir hatten erregte Diskussionen über die
Grünen, die Sozialgesetze, Fahrradwege, Klauen im Supermarkt, den Kosovo-Krieg
und konnten uns nicht einigen. Ich glaube, hier kreuzen sich die theoretische
Einsicht, über die wir uns einig sind (Weibliche Liebe zur Freiheit, neue
symbolische Ordnung etc.) mit den allgemeinen politischen Theorien zu
Rechtsstaatlichkeit, wo wir eben unterschiedliche Positionen haben. Ich meine,
als Anarchistin habe ich den Einwand von der mordenden Nachbarin in vielen
Variationen schon oft diskutieren müssen. Das ist ja ein ganz altes Thema. Die
Herausforderung besteht jetzt darin, unsere neuen Ideen mit diesen alten
Debatten der politischen Ideengeschichte in Kontakt zu bringen. Apropos:
Du sagst, die DIOTIMAS gingen nicht auf die Themen
Macht/Institutionen/Rechtsstaat ein. Ich nehme an, du liest das Buch "Die
Welt zur Welt bringen". Darin geht es in der Tat vor allem um das
Verhältnis von Subjektivität/Objektivität. Aber es ist ja gleichzeitig auch
"Jenseits der Gleichheit" auf deutsch erschienen, und dieses Buch
beschäftigt sich fast durchgängig mit dem Bezug zu den Institutionen und der
Frage, wie Frauen dort agieren (können). Deshalb hatte Dorothee auch die Idee,
den Untertitel zu ergänzen: "Über Macht und die weiblichen Wurzeln der
Autorität". Aber es ist natürlich wahr: Der Rechtsstaat ist bei
ihnen (was natürlich auch mit der italienischen, mehr anarchistisch als
sozialdemokratisch orientierten linken Geschichte zu tun hat), nicht so etwas
Hehres und Grundsätzliches wie für uns im deutschen Zusammenhang, sondern
etwas banaler, ein Faktum mit vielen schlechten, aber auch einigen guten Seiten,
zu dem man sich irgendwie verhalten muss. Ina
Prätorius: Ich gebs zu, von Anarchismus weiss ich nicht viel. Und ich frage mich nicht zum ersten Mal, ob das ein Fehler ist. Andererseits: dass die von Frauen und Männern gewählten Parlamente (ein immer noch historisch ziemlich neues Phänomen) bisjetzt keine gerechte Geldverteilung in Eurem/unserem Sinne zustandegebracht haben, kann das wirklich als Argument gelten, dass sie dazu prinzipiell nicht in der Lage sind? Zugegeben: Eure Vorschläge gehen weit. Ich finds trotzdem schade, dass sie nicht in dieser Form in der Flugschrift stehen. Was Du schreibst, ist um einiges prägnanter als was in der Flugschrift zum Thema Geld zu finden ist. Und seit die Berliner Mauer nicht mehr steht, halte ich eben doch eine ganze Menge für möglich, was nicht "wahrscheinlich" ist. Ist der Anarchismus wirklich eine dermassen gute Theorie, dass er gezielte, gewollte Randständigkeit in dem Sinne rechtfertigt, wie Du es schreibst. Das scheint mir zumindest nicht ganz im Sinne der Flugschrift zu sein.Ich nehme an, Du, Antje, kennst die Bewegung "Frauensynode". Die Frauensynode ist eine Bewegung, die sich bewusst und gegen viel Widerstand und mit viel Freude gegen das Delegationsprinzip entschieden hat. Verhält sich nun Kirchensynode zu Frauensynode wie Parlamentarismus zu Anarchie? Wenn es so wäre, dann hätte ich was begriffen. U.a. hätte ich dann eine interessante Erklärung dafür, warum mir "Frauensynode" so viel Spass macht. (Und übrigens: die Frauensynode scheint mir eine der wirkmächtigsten Bewegungen in der gegenwärtigen europäischen Kirchenlandschaft zu sein.) Antje Schrupp: Ich kenn die Bewegung
Frauensynode nicht so genau. Aber ich fand es auch schon immer gut, dass sie das
Delegationsprinzip nicht haben. Aber da ich noch nie an einer ihrer
Versammlungen teilgenommen habe, kann ich da nichts genaueres zu sagen. Es
scheint ja was zu bringen, nach dem was du schreibst. Der Anarchismus ist als
Theorie nicht in erster Linie eine Parlamentarismuskritik, sondern erst mal eine
Herrschaftskritik (An-Archie, herrschaftslos), philosophisch gesehen: der Mensch
ist ein freies Wesen und muss sich keiner Regel unterwerfen, der er nicht selbst
zugestimmt hat (ich würde heute diesen Punkt relativieren und sagen, keiner
Regel, die ihm/ihr nicht vermittelt wurde, z.B. durch die Mutter). Das mit der
Autorität ist echt ein Problem in der anarchistischen Theorie, da sind sie
neurotisch, da muss nachgebessert werden. Deshalb ist der Anarchismus auch eine
Staatskritik. Der Staat, also eine bürokratisierte Verwaltung mit Polizei,
Gerichten etc. wird als Apparat zur Aufrechterhaltung von Herrschaft gesehen,
als Apparat, der Leute zwingt, sich an Regeln zu halten, denen sie nicht selber
zustimmen. Dagegen kommt oft das Argument, aber der "gute" Staat (sei
es die Diktatur des Proletariats oder der Mehrheitsparlamentarismus) sei doch
keine Herrschaft, sondern im Gegenteil Garant der Freiheitsrechte der Einzelnen
(Schutz vor der mordenden Nachbarin). Das widerlegen die Anarchistinnen mit
ihrer Parlamentarismuskritik, wobei (ganz abgesehen von Korruption oder
Medienmanipulation etc.) zwei Punkte wichtig sind 1. Mehrheitsentscheidungen
beschneiden die Freiheit der Minderheit 2. Sie sind nicht effektiv, weil die
Minderheit sofort anfängt, zu sabotieren. Stattdessen wird im Anarchismus auf
Konsensentscheidung gesetzt. "Strafe" besteht sozusagen darin, aus dem
Gruppenzusammenhang ausgeschlossen zu werden (wenn du dich nicht an unsere
Regeln hältst, musst du eben woanders hingehen). Soweit meine ganz
oberflächliche Kurzzusammenfassung. Natürlich gibt es "den"
Anarchismus gar nicht, sondern es ist eine sehr breite Bewegung mit einer langen
Geschichte und sehr unterschiedlichen Strömungen. Praktisch wurde alles drunter
gefasst, was Sozialismus ist, aber nicht Marx. Was ich persönlich im Moment
ganz spannend finde, ist die Frage, warum wir eigentlich meinen, dass Gesetze
für alle gelten müssen? Vor allem da das, je globalisierter die Welt wird,
immer komplizierter und absurder wird. Es ist doch viel besser, dass die einen
nach den Regeln leben und die anderen nach anderen und ich kann mir dann
aussuchen, wo ich mitmachen will. Ich finde, da sollten wir, auch in der
feministischen Diskussion, mal drüber nachdenken, wenn wir Gesetzesvorhaben
etc. planen. Warum sind wir eigentlich erst zufrieden, wenn wir alle anderen
dazu zwingen, dasselbe zu machen wie wir für richtig halten? Warum setzen wir
uns nicht lieber dafür ein, dass wir machen können, was wir machen wollen? Ina Prätorius: Antje, natürlich hindert uns niemand daran, mit unserem Geld im Sinne der weiblichen Freiheit umzugehen, und wahrscheinlich tun wirs schon alle irgendwie irgendwo. Ein Problem ist, und damit wäre ich wieder bei der Flugschrift angelangt, dass wir dieses Tun nicht als "Politik" wahrnehmen und es deshalb möglicherweise überhaupt nicht wahrnehmen. Denn "Politik", so haben wir als aufrechte (linke?) BürgerInnen gelernt, ist nur, was sich innerhalb einer berechneten Mechanik auf ein als eindeutig für alle gut identifiziertes Ziel zubewegt. Der Rest ist "persönlich" und als solches vielleicht sogar antipolitisch, weil es das Elend einzelner mildert, statt die "Verhältnisse" ändert, woraus resultiert, dass die Verhältnisse nicht mehr als das wahrgenommen werden, was sie sind: brutal. Die "Konservativen" sagen aus diesem Grund, dass die Sozialstaatmechanik die Initiative der einzelnen und die dazugehörige Moral lähmt. Und da haben sie nicht ganz unrecht. Ich habe inzwischen (im Rahmen einer längeren öffentlichen Debatte in der Zeitschrift "Neue Wege") gelernt, dass ich linken Menschen gegenüber, wenn ich dieses Argument ins Gespräch bringe, einfach behaupten muss, es sei "im Sinne des Anarchismus" gemeint (obwohl, wie gesagt, ich keine Ahnung...). Dann gehen sie ehrfurchtsvoll in die Knie und finden mein "konservatives" Argument äusserst bemerkenswert. So einfach ist das. Dein differenzmodifizierter Anarchismus geht mir im Kopfe herum. Frage: Wenn Du in eine kantianisch-neurotisch-autonomieversessene Herrschaftskritik das Prinzip oder die Praxis der Autorität einführst, hebst Du diesen Anarchismus dann nicht auf? Meine Mutter jedenfalls hat mir sehr stark vermittelt, dass es gut und notwendig ist, sich in einem gegebenen Gemeinwesen zwar kritisch, aber auch mit-machend einzufinden, d.h. bezogen auf die junge Bundesrepublik, in der ich aufgewachsen bin: wählen zu gehen, sich zu informieren, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, sich als Person nur querzustellen, wenn das Verfahren der Entscheidung undurchsichtig ist (Einmal hat sie mit einem vehementen Soloauftritt in unserem Dorf das Fällen eines grossen alten Baumes verhindert, den sie liebte, da war ich sehr stolz auf meine Mutter. Aber das war die Ausnahme und sollte es in ihrem Verständnis auch sein.) Ich meine, dass die meisten Mütter aus einem vernünftigen Pragmatismus heraus ihren Kindern Vergleichbares vermitteln, also nicht diese Autonomieversessenheit, die organisierte Herrschaft grundsätzlich beargwöhnt, weil sie dem und der einzelnen nicht die "volle" (?) Freiheit lässt. Mit anderen Worten: Ist die weibliche Freiheit eine Modifikation oder eine Negation des Anarchismus? Antje
Schrupp: Ich glaube nicht dass Anarchie
(also herrschaftsfreie Gesellschaft) unbedingt mit Autonomie zusammenhängen
muss. Im Anarchismus ist genau dasselbe passiert ist wie überall sonst auch,
dass nämlich Autonomie und Freiheit, Autorität und Herrschaft verwechselt bzw.
fälschlicherweise gleichgesetzt wurden. Wenn wir also nachweisen, dass Freiheit
nicht auf Autonomie gründet, sondern auf (mütterlicher) Autorität, dann muss
der Anarchismus, wenn es ihm um eine freiheitliche Gesellschaft geht, seine
Position gegenüber Autorität verändern. Übrigens ist das mit der
Autonomie-Wut auch ein eher neues Problem. Schon Bakunin hat gesagt, "Ich
kann nur frei sein, wenn alle Menschen um mich herum ebenso frei sind, wie
ich". Das ist ja auch eine Einsicht in die Abhängigkeit. Und dann hat das
Nachdenken über Erziehung und Pädagogik im Anarchismus eine große Rolle
gespielt, also auch die Frage von Autorität und Vermittlung. Da gibt es
bestimmt Punkte, wo man einhaken könnte. Es geht mir nicht darum, in der
Gesellschaft oder in einem vorgegebenen Gemeinwesen nicht mitmachen zu wollen.
Es geht mir drum, die Frage zu stellen, wie das Mitmachen funktioniert. Ich habe
beim Wählen gehen noch nie den Eindruck gehabt, dass ich da irgendwo mitmache.
Ich fand auch die Nachrichten schon immer langweilig. Mein Vater wollte mich
immer dazu bringen, Tagesschau zu gucken, damit ich informiert bin. Ich hatte
nie Lust dazu. Und mit dem Anarchismus habe ich nur eine Theorie gefunden, die
mir es erlaubt, dieses Unbehagen auszuleben und intellektuell zu begründen (wie
du so schön schreibst, Ina, die Leute gehen eben ehrfürchtig in die Knie).
Übrigens war das auch für meine Mutter gut. Sie ist nämlich irgendwann aus
Ärger über irgendwas aus der Gewerkschaft ausgetreten, was meinen Vater als
alten Sozialdemokraten fürchterlich geärgert hat. Und ich bin ihr dann mit
meiner Anarchismus-Theorie zur Seite gesprungen und sie sagte nur: Siehste! (zu
meinem Vater). Der ist übrigens inzwischen auch ausgetreten.
Antje
Schrupp: Du
hast beim Wort
"Solidarität" völlig recht.
Es gibt durchaus Situationen, in denen ich das aus voller Inbrunst
benutzen würde. Wenn wir eine Politik der Beziehung gegen eine des Rechts
setzen, dann steht Solidarität aber sowieso auf Seite der Beziehung (stellt
sich ja immer die Frage: Mit wem bin ich solidarisch...), während das Recht
eben per Definition unabhängig von Beziehungen (= Vitamin B, Korruption...)
ist. Bei anderen Wörtern fällt es mir deshalb auch schwerer, sie überhaupt
noch zu benutzen. Zum Beispiel eben
Menschenrechte oder auch Gerechtigkeit. Die Vorstellung, man könne
Gerechtigkeit "herstellen" oder sie überhaupt nur zum Massstab von
politischem Handeln machen, halte ich inzwischen für falsch. Anders ist das
vielleicht noch mit dem "Kampf" gegen "Ungerechtigkeit",
denn was ungerecht ist, lässt sich in vielen Situationen durchaus feststellen.
Aber genau das ist der Grund, dass man sich im Zusammenhang mit
"Gerechtigkeit" immer nur mit den eigenen Defiziten und denen der Welt
beschäftigen muss (sie fehlt eben immer) - das hat Alessandra Bocchetti in dem
Aufsatz "Was vor der Gerechtigkeit kommt" (auch in dem grünen
DIOTIMA-Buch, mit dem ich euch sicher schon nerve) aufgeschrieben. Wenn wir von
der Fülle, von dem was wir haben, von dem was wir sind, ausgehen wollen, dann
können wir nicht bei der Gerechtigkeit ansetzen. Denn Gerechtigkeit gibt es
nicht. Deshalb will ich auch mein Glück nicht von ihr abhängig machen. Eine
Folge von meiner Skepsis bezüglich "Gerechtigkeitsforderungen" ist,
dass ich in solchen Momenten das Wort "gerecht" durch
"richtig" ersetze. Das ist ebenso ein Urteil und ein Massstab, aber er
macht sich mehr von unterschiedlichen Kriterien und eben der Beziehung
abhängig. Ist es gerecht, wenn von einer Gruppe einer ein größeres Stück
Kuchen bekommt? "Gerecht" ist es sicher nicht (wie überhaupt nie
irgendetwas jemals völlig gerecht ist), aber es kann durchaus
"richtig" sein (ich habe schon viele Situationen und Lösungen erlebt,
die rundum "richtig" waren). Übrigens: Während man über die Frage,
was gerecht ist, ja endlos streiten kann (und damit haben sich schon viele kluge
Frauen viele unnütze Zeit vertrieben), ist man sich häufig über die Frage, ob
etwas "richtig" ist, intuitiv recht schnell einig. Und das ist das
wichtige an einer Situation: Sind alle zufrieden? nicht: haben alle das Gleiche
(oder das nach einem bestimmten formalen Schlüssel aufgeteilte) bekommen,
wurden also "gerecht" behandelt, sondern: wurde die Situation so
gelöst, dass es für alle "richtig" war? Es ist sicherlich
komplizierter, von so einem Denken ausgehend politische Forderungen zu
formulieren, als von dem Gerechtigkeitsdenken - das ja wunderbar mit dem
Rechtssystem harmoniert, man kann
es auch so schön in Zahlen ausdrücken und ausrechnen
- aber es ist nicht unmöglich. Wir haben in der Flugschrift ja schon
damit angefangen. (26.5.2000) Ina
Prätorius: Du, Antje, schreibst, das Recht sei "per Definition unabhängig von Beziehungen". In der Flugschrift auf S.27 steht aber, dass "gesetzlich verankerte rechtsansprüche als eine Formalisierung von Hilfe und Fürsorge verstanden werden können...". Und genau auf dieser Basis, meine ich, könnten wir nun ein positives Verständnis von "Recht" entwickeln, das nicht mehr mit "Entweder Recht oder Beziehung" operiert, sondern Recht - z.B. auch die Menschenrechte - als "aufgeschriebene Beziehungen" versteht. Das Problem wäre dann nicht mehr - so verstehe ich auch Kap. 8 der Flugschrift - Das Recht als solches, sondern die Ablösung des Rechts von seinem Ursprung in Beziehungen und die daraus folgende Verabsolutierung, die zu dem Missverständnis führt, Rechte seien etwas Primäres, "das Erste", und sie garantierten Unabhängigkeit von den anderen. OK? Hier wäre der Anknüpfungspunkt für die berechtigte Frage, wie sich das Denken der Flugschrift mit alten Gerechtigkeitsforderungen verknüpfen lässt. Allerdings ist das vorerst tatsächlich nur ein Anknüpfungspunkt und noch keine Lösung. Ich beginne übrigens gerade mit einem Projekt zusammen mit feministischen Juristinnen. Daher wird mich diese Frage nach Bedeutung, Sinn und Praxis des Rechts in der näheren Zukunft weiter beschäftigen. Ich freue mich drauf, mit Juristinnen über die Flugschrift zu sprechen. (27.5.2000)
Ina Prätorius: Manchmal habe ich eine lange Leitung: gestern erst ist mir nämlich aufgefallen, dass es sich bei dem Gegenüberverhältnis Beziehung vs. Recht auch um einen der klassischen androzentrischen Dualismen handelt, wobei "Beziehung" auf der Seite weiblich/niedrig/sekundär und "Recht" auf der Seite männlich/höher/primär steht. Was wir tun, heisst also auch (wieder mal): Beziehung enttrivialisieren, Recht entuniversalisieren. Dabei geht es aber nicht einfach um eine Umkehrung der Hierarchie, sondern eher um ein Zurechtrücken/In-Ordnung-bringen. Dass Beziehung wichtig ist, geben ja die meisten Patriarchen auch zu, aber sie sagen, Beziehung sei privat, kontingent, vorpolitisch, unkontrollierbar, nicht verallgemeinerbar - und daher keine "politische" Kategorie, weshalb Beziehung dann faktisch eben doch auf einen sekundären Platz abgeschoben wird (wie: Familie, Privatsphäre, Emotionen und all die anderen "weiblichen" Dinge). Wir wollen dies nun also in Ordnung bringen. Und dafür brauchen wir, u.a., auch ein realistisches Verständnis von Recht, den "richtigen Ort" des Rechts. Den suchen wir jetzt. Ich hab kürzlich in einem Text, in dem sich ein Pädagogikprofessor gegen die aktuelle Ideologie des "Lebenslangen Lernens" (und damit gegen die Ideologie einer lebenslangen Infantilität) wendet, den Begriff des "Ent-Lehrers" gefunden.Wir sind Ent-Lehrerinnen des Patriarchats. (28.5.2000)
Antje Schrupp: Deine Beschreibung, was Rechte sind, kann ich voll unterschreiben. Die Frage ist nur was daraus folgt - sollen wir an anderen Gesetzen, einem anderen Rechtssystem arbeiten, uns dafür einsetzen, dass Gesetze anders werden, uns überlegen, wie sie möglichst "gerecht" sind? Oder geht es eher darum, dass wir unser Verhältnis zu diesen Gesetzen und diesem Rechtssystem ändern? Dass wir uns immer wieder klar machen, dass sie etwas sekundäres sind, ein Hilfskonkstrukt? dass wir unser Glück nicht mehr davon abhängig machen, wie dieser oder jener Gesetzestext lautet? Das ist auch so ein Punkt, wo wir beim Schreiben der Flugschrift kontrovers diskutiert haben. Ich selber habe zur Arbei an Gesetzen eigentlich wenig Lust. Denn wenn sie aufgeschriebene Beziehungen sind, dann hinkt das Recht logischerweise immer hinterher - erst ändern sich die Beziehungen, und dann wird diese Veränderung irgendwann auch aufgeschrieben. Natürlich immer auf einem viel niedrigeren Niveau, als die Beziehungen schon sind. Wenn ich was neues machen will, wenn ich etwas verändern will, kann ich deshalb nicht beim Recht anfangen. Aber natürlich ist das auch eine Arbeit die gemacht werden muss, Gesetze schreiben und dafür sorgen, dass sie eingehalten werden etc. Zum Beispiel derzeit die Umsetzung der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen. Das ist in vielen gesellschaftlichen Bereichen längst schon Realität, diese Lebensform ist weitgehend akzeptiert, jedenfalls im Vergleich zu vor ein paar Jahrzehnten, - und trotzdem macht die rechtliche Umsetzung noch solche Mühe. Sie ist wichtig, aber sie treibt keine gesellschaftliche Veränderung voran, sondern hinkt ihr hinterher. Was mich ärgert, ist deshalb auch nicht, dass Leute Gesetze für wichtig halten (darüber kann man streiten), sondern wenn sie meinen, durch eine Gesetzesänderung könnten sie die Gesellschaft verändern. Da habe ich dann das Bedürfnis, mich inhaltlich deutlich abzugrenzen. Das funktioniert nämlich nur, wenn man einen starken Staat voraussetzt, der die Gesetze durchprügelt. Ich will aber Menschen nicht mit Gesetzen (und also Gewalt) zwingen, nicht mal zu Ausländerfreundlichkeit, Umweltschutz und frauengerechter Sprache. Ich bin mal gespannt, was du von deinem Gespräch mit den Juristinnen erzählst. Wie sie das verstehen, was sie machen. Die Hamburger Thesen sind da so auf der Grenze. Zum Beispiel dass sie eine frauengerechte Sprache in der Kirche fordern (das ist ja auch so eine alte Forderung). Mir gehen, ehrlich gesagt, diese ganzen Kirchenmänner, die dauernd von "Innen" reden, weil sie gelernt haben, dass das jetzt so gemacht wird, aber die gar nicht wissen warum, ganz schön auf die Nerven. Diese Sprache dient ihnen dazu, ihre nach wie vor vorhandenes Kreisen um das eigene Männer-Ich zu vertuschen. Ich wäre eher dafür, dass nur diejenigen inklusive Sprache benutzen dürfen, die das tun, weil sie verstanden haben, warum das wichtig ist. Die aber tun es von selber, man muss es nicht von ihnen verlangen. Die anderen sollen doch weiter in der rein männlichen Form reden, dann ist es für mich auch nicht so schwer, sie (die Repräsentanten der alten, patriarchalen symbolischen Ordnjung), zu erkennen. In dieser Hinsicht wäre zum Beispiel ein Gesetz, dass festschreibt, kirchenamtliche Texte müssen in inklusiver Sprache verfasst werden, genau kontraproduktiv. Wäre ich völlig dagegen. (28.5.2000)
Ina Prätorius: Ich glaube, dass es wichtig ist, nicht gegen "das Recht" Front zu machen, sondern es einfach nicht mehr so wichtig zu nehmen (Dein zweiter Vorschlag, Antje.) In Damaskus gibt es auch Ampeln, aber sie haben einen völlig anderen Stellenwert als bei uns, und das finde ich irgendwie vorbildhaft für meinen Umgang mit Rechten. Gesetze schreiben und Gesetze auslegen bleibt ein wichtiges Tun, aber es macht selten jemanden glücklich. Und um Glück geht es eigentlich. Insofern finde ich auch das Image, das "die JuristInnen" an der Uni in meiner Studienzeit hatten (heute noch haben?) berechtigt: was sie tun, kann man nicht seinlassen, aber es ist trocken und langweilig (im Gegensatz z.B. zur Theologie... oder?). Für mich bedeutet dieses Zurechtrücken meines Verhältnisses zum Recht eine Bestätigung von etwas, das ich sowieso schon die ganze Zeit mache. Bloss: jetzt mach ichs mit Begründung und Ueberzeugung und also authentischer als vorher. Das verändert viel, auch wenn es sich erstmal ganz unspektakulär anhört. Es verändert meinen Alltag, meine Sprache und mein Politikverständnis, und das zusammengenommen ist sehr viel. Von diesem Standpunkt aus mit Juristinnen ein Gespräch zu beginnen, finde ich interessant. Ich werde jetzt auch nicht Berge von feministisch-juristischer Fachliteratur lesen, sondern erst mal schön von mir ausgehend auf den Begriff bringen, was "das Recht" zu bedeuten hat. (28.5.2000) Antje Schrupp: Gestern lernte ich zufällig Claudia Pinl kennen, eine vehementige Verteidigerin des Gleichheitsfeminismus. Wir sassen schon zwei Stunden zusammen im Café, bevor sich klärte, wer wir sind und dass wir schon mal in Publik Forum gegeneinander ein Pro und Contra zum Differenzdenken geschrieben haben. Und darüber redeten wir dann weiter und ich merkte, wie schwer es mir fällt, im Gespräch spontan auf solche Einwände wie "Aber Frauen sind immer noch diskriminiert" oder "wir müssen mehr Frauen in die Parlamente kriegen" zu reagieren, so, dass es sich nicht total verschroben anhört und auch für die anderen am Tisch noch plausibel und verstehbar ist. (2.6.2000)
Ina Prätorius: Claudia Pinl hat doch vor Jahren mal ein Buch geschrieben, in dem sie sämtliche Nichtegalitaristinnen in einen Topf geworfen hat. War irgendwie aufsehenerregend undifferenziert oder so. Mir fällt bei meiner Auseinandersetzung mit den Juristinnen auf, dass die Existenz und Notwendigkeit des Rechtes da immer schon fraglos vorausgesetzt ist und nur nach der Benachteiligung der Frauen (neuerdings nach dem Unterschiedlichbehandeltwerden der Genders) gefragt wird. Die Frage, die mich interessiert, kommt überhaupt nicht vor, nämlich: Was ist das Recht und wie wirkt es auf Menschen? Ich werde jetzt mal Juristinnen (und auch Silvia Schroer, die Alttestamentlerin) fragen, ob sie sich diese Frage eigentlich gar nicht stellen. Hier, meine ich, findet der Perspektivenwechsel statt, der auch Dir in Deinem Gespräch mit Claudia Pinl und anderen Schwierigkeiten macht. Worum es bei diesem Wechsel der Fragestellung wirklich geht, habe ich persönlich kapiert, als ich Hannah Arendts "Vita activa" gelesen habe. Diese Art, als Frau nach dem Ganzen zu fragen, ist androzentrisch nicht vorgesehen. Und wenn es eine doch macht, dann ist es eine Erleuchtung (auch wenn ich vieles ganz anders sehe als Hannah Arendt, aber genau um diese Freiheit des Anderssehens des Ganzen als Frau geht es ja auch.) (2.6.2000)
Antje Schrupp: Grad komme ich vom Vortragsnachmittag beim Fest der 2000 Frauen, und passenderweise hat Lia Ciagarini (die, was ich bisher nicht wusste, Anwältin ist) über das Recht gesprochen, unter anderem. Und ihren Ideen-Fortschreitungs-Prozess und den der anderen Juristinnen, mit denen sie einer Gruppe hat, beschrieb sie so : Am Anfang waren da unverbunden nebeneinander 1. der Wille, eine gute Anwältin zu sein und 2. das Gefühl der Fremdheit in einem Rechtssystem, das erfunden worden war, um die Tauschbeziehungen der Männer zu regeln (da stellt sich die Frage, die wir in der Flugschrift gar nicht stellen, inwieweit das Rechtssystem als solches geeignet ist, die Tauschbeziehungen unter Frauen zu regeln). Jedenfalls, von diesen beiden widersprüchlichen Gefühlen ausgehend dachten dann einige, dieses Gefühl der "Fremdheit" komme daher, dass die Frauen so lange aus der Juristerei ausgeschlossen gewesen seien und dass sie sich jetzt die Sachkompetenz erstmal aneignen müssten und durch Gleichstellungsgesetze etc. sich eine entsprechende Position erarbeiten müsste, dann würde das schon verschwinden. Tat es aber nicht. Und noch schlimmer. In dem sie sich "auf dem Markt verkauften" vergassen sie, dass Recht etwas mit dem Regeln von Beziehungen zu tun hat, das Wissen, womit sie als Frauen einen Vorsprung hatten. Und so wurden sie dann tatsächlich schlechte Anwältinnen. Der Wendepunkt war also einer, der im Kopf vor sich ging, nämlich der, zu sehen, dass Frauen schon die besseren Anwälte waren. Vielleicht nicht nach den internen Juristerei-Aufstiegs-Kriterien, aber im Hinblick auf die eigentlich wesentliche Funktion des Rechts. Vielleicht ist es also - im Gespräch mit Juristinnen - schon ausreichend, auf dieses Gefühl der Fremdheit hinzuweisen, ich bin mir sicher, dass sie das kennen. Und möglicherweise müssen wir gar nicht das Recht grundsätzlich hinterfragen (tun wir ihm damit vielleicht sogar zu viel Ehre an?), sondern es reicht, einfach in diesem oder jenem konkreten Fall das Beste draus zu machen? Übrigens gab es heute auch noch mal eine nette Episode mit dem "Gleichheitsfeminismus". Eine bekannte Frankfurter Journalistin (immer pc-gleichheits-betroffen und damit seit Jahrzehnten erfolgreich) interviewte Luisa Muraro und sagte anschließend, sie hätte das Gefühl, nichts verstanden zu haben. Dagmar von Garnier, die Organisatorin, sagte das in der Vorstellung von Muraro, wohl um das Publikum drauf vorzubereiten, dass jetzt was schwieriges Philosophisches kommt (selbst die berühmte Journalistin hat das nicht verstanden...). Muraro konterte prompt, die Journalistin hätte das alles sehr wohl verstanden, sie würde aber noch zu sehr der Logik der Gleichheit verhaftet sein, um sich eingestehen zu können, das an dem Differenzdenken vielleicht was dran ist. Ich denke, das darf man wirklich nicht unterschätzen. Dieses Gleichheitsdenken wurde uns (mir jedenfalls) doch von klein auf so eingetrichtert, dass es wirklich schwierig ist, vor allem für Ältere, die jetzt so um die fünfzig sind, sich davon zu verabschieden. So erkläre ich mir auch, dass eine wirklich nette und interessierte und engagierte Frau wie Claudia Pinl (dass sie nett ist, konnte ich eben durch den Zufall erfahren, dass ich sie kennenlernte, ohne zu wissen, wer sie ist) einfach seit Jahren sich damit aufhält, diesem Phantom der Gleichheit hinterherzulaufen. Aber genau deshalb, weil dieses Grundglaubensbekenntnis der Demokratie so tief in den Köpfen und Herzen sitzt, finde ich es auch wichtig, dass wir auf der theoretischen Ebene da immer dezidiert gegenhalten: Die Logik der Gleichheit ist eine falsche Antwort auf alle Probleme. Punkt und keine Kompromisse. Oder? (2.6.2000)
Heute hab ich mit einer Juristin (in der Schweiz eine ziemlich bekannte) gesprochen, die auch findet, dass es vielleicht besser wäre, es gäbe kein geschriebenes Recht. Sie sagt, dass sie mit dieser Auffassung im Kolleginnenkreis allerdings ziemlich allein ist, weil die meisten Juristinnen die Frage nach der Notwendigkeit des Rechts verdrängen, um in ihrem Beruf funktionieren zu können. (Vgl. die von Dir, Antje, erwähnte italienische Referentin in Frankfurt.) Mir ist noch eingefallen, dass ich im Theologiestudium mal die einleuchtende Unterscheidung von apodiktischem und kasuistischem Recht gelernt habe. Apodiktisches Recht, das wären z.B. die zehn Gebote oder die Grundrechte oder Art.1 GG etc. Hilft diese Unterscheidung uns weiter? Ich finde es irgendwie gut, dass mal jemand aufgeschrieben hat: "Du sollst nicht töten." Und dass ein Volk diesen Satz feierlich für sich akzeptiert hat (um dann gleich Ausnahmen aufzuschreiben...). Etwas anderes ist aber, dass heute z.B. die Türkei 60.000 Bestimmungen akzeptieren muss, wenn sie in die EU will. Irgendwo dazwischen könnte vielleicht die Frauenwahrheit liegen. Oder? (9.6.00)
In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod (oder so ähnlich?) - Also, ich finde nicht, dass die Frauenwahrheit irgendwo "dazwischen" liegt. Sie verweist auf falsche Alternativen. Aber sie siedelt sich nicht in der Mitte an, sondern woanders. War der erste große "Mitte-Fan" nicht Aristoteles, soweit ich mich erinnere? Statt tollkühn und feige, statt redselig und stumm etc. sollen wir immer die Mitte suchen oder so ähnlich? Jedenfalls, "Du sollst nicht töten" und so, das sind ja keine Gesetze, sondern irgendwie Leitsätze, die sich als gesellschaftlicher Konsens rauskristallisieren und dann mal formuliert werden. Das kann hilfreich sein, zugegeben. Aber grade wenn sie im engeren Sinn als "Gesetze" verstanden werden, dann ist es ja schon wieder problematisch, weil das Problem ja eher ist, in einem gegebenen Einzelfall diese jeweilige Situation und ihren Beziehungskontext zu verstehen. Da helfen solche allgemeinen Sprüche dann nicht weiter. Den Ansatz dieser Juristin finde ich interessant: Wie kann man Recht sprechen ohne Gesetze? Mütter, zum Beispiel, können das. Und das wäre meiner Meinung nach die Richtung, in die wir weiterdenken müssten. Lässt sich das irgendwie auf einen größeren gesellschaftlichen Rahmen anwenden? Ist mütterliche Autorität eine denkbare Alternative zu "jeder kann machen was er will" und "alle müssen machen, was die Mehrheit (oder der König, ist egal) ins Gesetz geschrieben hat"? (10.6.00)
Ina Prätorius: Du hast recht, Antje, in der Mitte liegt die weibliche Wahrheit sicher nicht, oder meistens nicht, obwohl Aristoteles manchmal gar nicht so blöd ist, wie ich mal dachte. Was die Rechtsprechung ohne Gesetz der Mütter angeht, bin ich auch im Prinzip einverstanden, andererseits fällt mir dann gleich die Verzweiflung meiner Schwester ein, die zwei Kinder hat und manchmal wochenlang mit fast nichts anderem beschäftigt ist als die sehr rechnerischen Gerechtigkeitsansprüche dieser beiden zu erfüllen. (Der S durfte aber auch, also warum darf ich nicht... also wenn die J das kriegt, dann muss ich auch kriegen (obwohl ich vielleicht gar keine Lust habe auf dieses Dings...))... Liegt das daran, dass meine Schwester patriarchal verbogen ist, oder die Kinder, oder ist das eben so anstrengend? Als Mutter eines dieser "Einzelkinder" hab ichs da leichter, obwohl auch im Verhältnis zu einer einzigen Tochter Gerechtigkeitsfragen immer wieder eine wichtige Rolle spielen. (Der xy bekommt aber so viel Taschengeld, warum ich nicht?) Jedenfalls stimmt es, dass apodiktisches Recht (10 Gebote etc.) etwas ganz anderes ist als diese ins immer Kleinere gehenden Gesetzesvorschriften, in denen die Illusion steckt, mann könne die Wirklichkeit in den Griff bekommen, bevor sie stattfindet. (11.6.00)
Antje Schrupp: gerade lese ich in der taz einen Bericht/Zwischenbilanz 5 Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking (Grundtenor: Ist alles so schlecht wie eh und je), jedenfalls hab ich darin aber ein interessantes Argument gefunden: Dass nämlich die historisch eher neue Forderung der Frauenbewegung nach Gleichstellungspolitik auch einen pragmatischen Grund hat: "In Politik und Rechtsprechung existieren mehr Möglichkeiten für Reformen als in der Wirtschaft" - dies also auch eine Folge davon, wenn Frauen nicht als im Zentrum der Wirtschaft stehend gesehen werden. Jedenfalls scheint es zu dem Thema ein neues Buch zu geben, nämlich von Anne Phillips: "Which Equalities Matter?", Cambridge, Polity Press, 1999. Kennt das vielleicht schon jemand? (18.6.00) |