Schweden

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

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Ina Prätorius:

 

Also in Schweden kannst du als weltverbesserisch veranlagter Mensch tatsächlich die Depression bekommen. Ständig landest du in pikfeinen ballsaalgrossen Behinderten-WCs, weil der Weg dorthin, wie es sich gehört, am schnellsten und einfachsten ist. Stolze Väter schieben Kinderwagen lässig über ausfahrbare Rampen aus dem Bus direkt auf die Strasse, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Die stolzen und selbstbewussten Mütter schlendern locker mit Freundinnen plaudernd hinterher, weinende und quengelnde Kinder scheint es nicht zu geben. Der nationale Konsens, dass es gut ist, viel Steuern zu bezahlen, weil alle was davon haben, ist irgendwie atmosphärisch spürbar. Ausserdem fahren sämtliche Züge, Busse und Schiffe pünktlich ab, Touristen dürfen gern dasein, werden aber weder übermässig betüttelt noch plakativ beworben. Das Ganze ist so teuer, wie es sich gehört (für SchweizerInnen, die meinen, ausserhalb ihres Ländchens müsse immer alles billiger sein, eine echte Kränkung.), und in den perfekt durchdesignten Bars ist das Personal politisch korrekt durchmischt: blond, schwarz, asiatisch, hispanisch, arabisch, alle schön einträchtig miteinander. Meine ganze schöne kritische feministische Sozialethik hat sich in der letzten Woche reduziert auf den schlichten Satz: Macht es doch einfach wie die Schwedinnen. Und die Suche nach irgendeinem versteckten eben doch vorhandenen Chaos (im Privatleben? auf dem Land? wo mag es wohl stecken?) oder nach einer Kehrseite des Ganzen kommt mir dümmlich vor, weil ich es mir angewöhnt habe, meinen eigenen Augen zu trauen, und die haben nun mal eine ganze Woche lang nichts als eitel Wonne gesehen in diesem Land, das überdies noch dermassen schön ist, dass einer davon langweilig werden kann. Uebrigens glaube ich, dass der skandinavische Staatsfeminismus nicht einfach eine technisch-legalistische Sache ist, sondern dass er einen kulturell verankerten Respekt für das Weibliche und Mütterliche voraussetzt, was für die Therse der Flugschrift sprechen würde, dass zuerst die Beziehungen zwischen den Geschlechtern gut sein müssen, bevor die Gesetze dann entsprechend formuliert werden. Ich kann jetzt verstehen, warum die Schwedinnen (z.B. die in der European Society of Women in Theological Research, die auf keinen Fall eine Konferenz in Griechenland haben wollten, weil es dort so patriarchal zugehe) so arrogant sind. Sie haben ganz einfach Gründe dafür, auf der Rest der Welt herabzuschauen. Tja, und jetzt bin ich wieder zuhause und frage mich, warum es in der Schweiz ganz allgemein als das höchste der Gefühle gilt, möglichst wenig Steuern zu bezahlen und Kinderhaben als Privatsache zu behandeln. (11.8.09) 

 

 

Antje Schrupp:

 

Ich wollte doch noch mal was zu deinem Bericht aus dem Paradies in Schweden schreiben. Vom Stil her erinnerte er mich an die utopischen Reiseromane aus dem 19. Jahrhundert, nach dem Motto, als ich neulich Schiffbruch erlitt und auf eine einsame Insel gespült wurde... Es wäre tatsächlich mal ein interessantes Projekt, zu untersuchen, wie es in Schweden zu dieser schönen Kultur gekommen ist. Und zwar mit einer Perspektive, die über die üblichen Erklärungen - sie haben halt so schöne Frauenfördergesetze - hinaus geht. Denn wenn wir dir folgen und als politische Strategie aufgreifen: "Macht es doch einfach wie die Schweden", dann stellt sich ja dringend die Frage, wie die Schweden es machen, bzw. gemacht haben, und das Problem ist ja dass wir das genau nicht wissen. Ich behaupte mal: Wenn ein Italiener und ein Deutscher und ein Schwede einen Kinderwagen schieben, dann ist das noch lange nicht dasselbe. Geht diese schöne schwedische Kultur vielleicht zurück auf die vorchristlichen Religionen, die ja bis ins späte Mittelalter hinein dort vorherrschend waren? Oder war es die bessere Strategie der neuen Frauenbewegung? Oder das schlechte Wetter und der lange Winter, der viel Zeit lässt, Probleme vernünftig zu lösen und schöne Lebensumstände zu schaffen, weil man keinen Strand hat, der lockt und ein größeres Bedürfnis nach sauberen, funktionierenden Toiletten? Apropos Wetter: Etwas skeptisch gemacht hat mich doch die Arroganz der Schwedinnen, die du im letzten Satz ansprichst. Denn es ist für mich die Frage, ob daraus nicht spricht, dass dem Verhalten der Männer eine übermäßig große Bedeutung zugesprochen wird. Anders gesagt: Wenn ich die Wahl hätte zwischen einer Tagung in Schweden und einer in Griechenland, würde ich, glaub ich, lieber nach Griechenland fahren, weil das Wetter auf mein persönliches Wohlbefinden einen größeren Einfluss hat als das Verhalten der Männer. (28.9.01)

 

 

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