disfieri - Maschen aufziehen

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

Home ] Diskussionsforum ] Kapitel 1 ] Rezensionen und Zuschriften ] Veranstaltungen ] Die Autorinnen ] Der Prozess ] Literatur ] Links ]

Startseite

Affidamento
Alter/Generationen
Aktionen/Engagement
Angela Merkel und Co.
Autorität und Amt
Begehren
Big Brother
Bindung an Dinge
Cyberwelt
Dankbarkeit
Daseinskompetenz
Differenz
disfieri - Maschen aufziehen
Eigentum
Ende des Patriarchats
Ethik und Normen
Feminismus im Mainstream?
Flugschrift allgemein
Frauenbewegung
Frauen von...
Freiheit und Abhängigkeit
Geld
Gelingende Beziehungen
Geschlechterdifferenz
Globalisierung
Glück
Gurus unter Frauen
Handeln - tätig sein
Hausarbeit - Care
Herr und Gott
Homosexualität
Ideen
Illusionen
Institutionalisierung
IQ-Tests
Italienerinnen
Juristinnen
Macht
Das männliche Imaginäre
Mailingliste
Mystik/Spiritualität
Politik
Präsenz des Weiblichen
Schweizer Expo
Schweden
Sexualität
Sozialarbeit
Sozialstaat
Staat und Gerechtigkeit
Sprache und Theoriebildung
Symbolische Ordnung
Teilen
Terroranschlag
Verantwortung der Mütter
Verfassung
weibliche Identität
Väter
Zivilisation

 

 

Ursula Knecht:

 

Vielleicht ist es an der Zeit, uns mit dem auseinander zu setzen, was Muraro das „disfieri“  nennt, also unsere Formen des ENT-MACHENS und ENT-MACHTENS, unsere Art, das Nein zu artikulieren. Das ist ein Wunsch von mir, der immer stärker wird seit dem 11.Sept., vielleicht eine der Möglichkeiten sogar, die Flugschrift weiterzuschreiben... Ich hole ein wenig aus: Zufällig (?) habe ich ein paar Tage nach dem 11.Sept in Muraros neuem Buch („Die Menge im Herzen“) ihren Artikel „Die Kunst, Maschen aufzuziehen“ gelesen. Obwohl bereits 1997 geschrieben, kam er mir wie in die aktuelle Situation hinein formuliert vor und hat mich aus meiner Erstarrung herausgerissen und meinem Denken eine Richtung gewiesen.  Muraro beschreibt zuerst im Bild des Maschenaufziehens einer alten Strickjacke, wie mühsam es ist (manchmal auch amüsant), ein altes Strickmuster aufzudröseln und daraus einen Knäuel für etwas neues herzustellen. Während es für neue „Strickmuster und –modelle“ Anleitungen zuhauf gibt, suchen wir vergeblich nach Hinweisen, wie der Faden aus einem „verstrickten“ ausgedienten Gewebe herausgelöst werden kann... Aber wir brauchen den Faden für das neue. Er fällt ja nicht vom Himmel. Er ist schon da, aber eben, oft verstrickt in unbrauchbar Gewordenem... Muraro überträgt das Bild des „Maschenaufziehens“ dann auf Geschichte und Politik. Wie z.B. das Kolosseum in Rom, das in der Antike nicht gerade edlen Zwecken gedient hatte, im Mittelalter zum Steinbruch wird für den Bau neuer Behausungen mit menschlichem Mass... Und dieses Prozedere des  „disfieri“  kann sie sich auch für andere Bauwerke vorstellen, die nicht mehr dienlich sind, provozieren, beleidigen  (das Auge, die Leute, die drin oder drum herum leben, die Natur..) etc., nicht durch Zerstörung sondern durch Abtragen und Auflösen in menschenwürdiger Art und Weise...  Vielleicht geht es Euch jetzt wie mir:  Plötzlich sah ich die beiden WTC-Türme (für Viele ja offenbar ein verhasstes und provozierendes Symbol), wie sie abgebaut werden, zumindest verkleinert: sanft, von Hand, von zahlreichen und unterschiedlichen Menschen, Stockwerk um Stockwerk abgetragen. Ich sah, wie „unschuldige“ Gegenstände hinausgetragen wurden – Tische und Stühle, PCs, Stereo-Anlagen, Kaffeemaschinen, Fensterrahmen samt intakten Scheiben, Kloschüsseln, Waschbecken, Blumenvasen.... um irgendwo in der Nähe oder Ferne einem freundlichen Zweck zu dienen... Diesen friedlichen aber keineswegs harmlosen Bildern des ENTMACHENS denke ich seither entlang und überlege, was es in konkreten Situationen bedeuten könnte. Wer hat Lust, sich auch darauf einzulassen, die „Kunst, Maschen aufzuziehen“, zu üben und zu beschreiben? Die PhilosophInnen unter Euch wird es vielleicht reizen, disfieri mit ‚dekonstruieren’ zusammenzudenken... Freue mich auf  kühne Maschen-AufzieherInnen (27.11.01)

 

 

Antje Schrupp:

 

ja das ging mir auch so, als ich diesen Artikel von Luisa gelesen hatte. Wir brauchen tatsächlich eine neue Idee davon, wie man Dinge abschaffen, aus dem Weg räumen kann, ohne gewalttätig sein, ohne zu zerstören. "Disfieri" gibt da ein gutes Bild zu ab. Es modifiziert für mich den alten Bakunin-Spruch "Die Lust an der Zerstörung ist eine schaffende Lust". Er hat recht, bloss geht es nicht um Zerstörung, sondern um Ent-Machen, so wie Maschen auftrennen... Und du hast recht, das ist keineswegs harmlos, es ist radikal. Das ist es, was wir rüberbringen müssen. In dem Wunsch, "aggressiver" zu sein steckt ja auch der Wunsch, radikal zu sein, grundsätzlich etwas zu tun, heldenhaft sich dem Schlimmen entgegenzustellen. Dieser Wunsch ist finde ich berechtigt, nur die Bahnen die er findet sind halt die alten patriarchalen Macker-Klischees. Ich kann verstehen, wenn eine das FrauenKirchenManifest unter diesem Blickwinkel liest, das zu bieder, zu wenig "aggressiv", zu bieder vielleicht, zu wenig provokativ findet. (17.11.01)

 

 

Fidi Bogdahn:

 

Ich erinnere mich bei diesem "Strickjacken-aufrebbel-Bild" ("aufrebbeln" -so hieß das bei uns) an die Nachkriegs-Zeit, wo wir dieses "aufrebbeln" selbstverständlich  tun mussten; allerdings waren damals die Sachen wirklich durch und durch gestrickt und waren nicht wie heute meistens mit diesen dicken Nähten in Form genäht. Meine Hinweise, "wie der Faden aus einem „verstrickten“ ausgedienten Gewebe herausgelöst werden kann... ":
1.  Kontrolle auf Motten!   -die Strickjacke muss vorher nicht gewaschen werden
2.  aufrebbeln geht nur in einer Richtung; also wichtig, den Strick-Anfang zu finden
3. der aufgerebbelte Faden wird nicht zu dick auf (längliche Brot-)Brettchen aufgewickelt
    (denn der Faden schnurrt entsprechend den Maschen zusammen) und dann siehe 9.
4. den Faden vorsichtig ziehen, denn er ist teilweise durch Gebrauch dünn geworden
    oder an manchen Stellen verfilzt oder bereits durchlöchert gewesen und gestopft worden
5. zu dünne Fadenteile raustrennen, sie schädigen sonst sofort das neue Strickwerk
6. gerissene Fäden nicht zusammenknoten, sondern beim Strickzeug doppelt ansetzen
7. wegen Wahl des Arbeitsplatz beachten:  bei der Arbeit entsteht viel Staub und Fusseldreck
8. während der Arbeit keine Katzen in der Nähe dulden... (nicht mal Antjes virtuellen Felix!)
9. der aufgewickelte Faden muss auf den Brettern vorsichtig gewaschen werden;
    zum Trochnen die Brettchen an warmen luftigen Ort stellen;
    nach dem Trocknen ist der Faden wieder glatt und kann zu Knäuel aufgewickelt werden.
10.die Knäuel  unbedingt  katzen-und mottensicher aufbewahren.
 „Kunst, Maschen aufzuziehen“... -  auch hier "bei Luisa" eigentlich eine (Über-)Lebensfrage. (2.12.01)

 

Home