Herr und Gott

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

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Ina Prätorius:

Am letzten Dienstag, 21.3.01, hat die Synode der Zürcher reformierten Kirche beschlossen, dass Gott auch in der neuen Uebersetzung der vielgelesenen Zürcher Bibel (erscheint voraussichtlich 2004 und wird dann voraussichtlich ein bis zwei bis drei Jahrhunderte in diesem Wortlaut gelesen) ein "Herr" bleiben soll. Dies trotz mehrfachen Protests renommierter Exegetinnen und vieler vieler Kirchenfrauen schon seit 1997. Es läuft bereits eine umfangreiche Protest- und Frageaktion gegen die Herren Uebersetzungskommissionspräsidenten Weder und Schmid, die ich persönlich kenne und kein bisschen leiden kann), aber Ihr dürft Euch gerne auch noch anschliessen. Mails an die Adresse webmaster.zh@ref.ch werden (bis jetzt) direkt an die entscheidenden Herren weitergeleitet. Am nützlichsten sind Mails, in denen Leute sich nach dem genauen Uebersetzungsprozedere erkundigen und Antwort verlangen. Weitere (allerdings rudimentäre) Information erhaltet Ihr unter http://zh.ref.ch/default.htm (3.4.01)

 

Antje Schrupp:

Da hatte ich neulich auch eine Diskussion mit meiner Redaktion, weil die Frankfurter Kirche dieses Jahr ein Osterplakat gemacht hat mit der beängstigenden Botschaft "Der Herr ist auferstanden". Ich stand dabei allein auf weiter Front, und deshalb werde ich dein Mail gleich mal meinem Chef weiterleiten, weil er nämlich der Meinung ist, wir "Herr"-Kritikerinnen seien doch nur ein kleiner, exklusiver Zirkel. Andererseits beschleichen mich auch so Zweifel: Wenn wir das "Herr" aus der Bibel völlig rausredigieren - machen wir dann die christliche Tradition nicht besser, als sie ist? oder anders gefragt: Muss das "Herr" nicht auch irgendwo stehen bleiben, damit wir die Erinnerung an die patriarchale Herkunft der christlichen Tradition nicht verlieren? So komme ich zu der auf den ersten Blick paradoxen Schlussfolgerung: Irgendwie finde ich es gut, dass es diesen lauten Protest gibt und beteilige mich auch daran, andererseits will ich gar nicht, dass er so bald schon Erfolg hat, sich "durchsetzt", weil ich glaube, dass dies beim derzeitigen Stand der Diskussionen im Christentum eine Lüge wäre. Und das ist vielleicht gar kein Widerspruch? Sondern nur, wenn man handeln mit machen verwechselt? (4.4.01)

 

Ina Prätorius:

Was das "Herr"-Thema angeht, stimme ich Dir zu, Antje. In der Frauenkirchenliste haben wir darüber zur Zeit eine lebhafte und erkenntnisreiche Debatte. Dort gibt es auch eine (in matriarchaler Ausrichtung bibelforschende) Frau, die den Herren von Zürich zu ihrer klaren Entscheidung gratuliert hat, und das ist auch eine wichtige Stimme in diesem Konzert. Auch mir geht es - neben dem Spass am Ausprobieren virtueller Möglichkeiten des Aufruhrs - vor allem darum, das Thema wieder neu in die Diskussion zu bringen. Hätte ich nur das strikte Ziel, tatsächlich die Neuübersetzung der Zürcher Bibel in meinem Sinne zu beeinflussen, dann hätte ich mit diese Sache wohl nicht anfangen. Da ist diese Unterscheidung von Politikmachen und Politisch handeln, die Du, Antje, gerade nochmal ausgeführt hast, sehr wichtig. Interessant beim Politisch handeln ist, dass frau unabhängig vom "Ziel" auf dem Weg ganz viel zurückbekommt: Stärkung von Beziehungen, interessante Kontakte, Argumente, Situationskomik... Zwar spüre ich immer mal wieder den Drang in mir, eine Aktion "unter Kontrolle" zu behalten (z.B. genau herauszufinden, wie viele Mails denn nun bei webmaster.zh@ref.ch angekommen sind. Es ist gut, da neuerdings eine politische Theorie zu wissen, die mir sagt: das kannst du gar nicht, und es ist auch gar nicht nötig. Was mir zum Beispiel Spass gemacht hat, ist ein "Erlebnis" auf der weltweiten Genderstudies- WISE-List. Auch dort habe ich meine Herr-Meldung platziert, auf deutsch, weil ich meinte, dass (kirchenferne) Frauen aus Russland oder Australien sich bestimmt nicht für den Herrn in der Zürcher Bibel interessieren. Worauf prompt eine andere Listenfrau "daherkam" und meine Meldung auf englisch übersetzte, weil sie fand, dass sie für alle interessant ist. Sowas ist Balsam für meine politische Seele. (4.4.01)

 

Silke Petersen:

als - bislang hier meist schweigende - Theologin, (die mit Interesse die mails dieser Liste liest), fuehle ich mich durch das Ubersetzungthema nun doch zu einem Beitrag herausgefordert. Es gibt derzeit ein Projekt, in dem die Predigt- und Lesungstexte der Evangelische in Deutschland in "gerechte Sprache" uebersetzt weden, an dem ich (und wie ich weiss noch andere auf dieser Liste) sich beteiligen. Bei diesem Projekt geht es darum, Frauen ausschliessende Sprache, Antijudaismus, ausschliesslich maennliche Gottesbezeichnungen und andere unschoene Dinge in den Uebersetzungen zu vermeiden - und ich muss sagen, es ist ziemlich muehevoll. Abgesehen von der Schwierigkeit, ob frau die Texte dabei nicht einfach nur schoener und politisch korrekter macht als sie tatsaechlich sind - das wurde hier schon angesprochen - handelt es sich auch um die Schwierigkeit der Alternativen. Es ist nicht moeglich, immer einfach Gott statt Herr zu schreiben, da es "Herr" auch als Anrede an ganz normale Menschen gibt. Und wenn Jesus im griechischen Text als Herr bezeichnet wird (vielleicht im Sinne der normalen Anrede) so ist damit noch lange nicht gerechtfertigt, ihn Gott zu nennen. Hier werden naemlich gleichzeitig auch noch juedische Sensibilitaeten beruehrt, und die sind ja wohl auch nicht einfach zu vernachlaessigen. Was also tun, wenn die Forderungen der "gerechten Sprache" einander widerstreiten? Ich will damit nicht sagen, dass ich nicht das poltische Ziel teile - nur scheint mir die Art einer Uebersetzung ganz entscheidend von ihrem Verwendungszweck abzuhaengen. Fuer Texte, die im Gottesdienst gelesen werden, gilt anderes, als fuer Uebersetzungen, die zur feministischen Bibelkritik dienen. Die Zuercher eignet sich defintiv mehr fuer die zweite Kategorie. Also wuerde ich denken: Lassen wir sie doch uebersetzen und machen unsere eigene und benutzen immer gerade die, welche uns geeignet erscheint. Uebrigens werden im naechsten Jahrbuch der ESWTR (Europaeischen
Gesellschaft fuer theologische Forschung von Frauen) im Sommer diesen Jahres zwei Artikel erscheinen, die sich mit den genannten Problemen der Uebersetzung beschaeftigen (einer davon mit dem Titel: "The Lord Can No Longer Be Taken for Granted"). (4.4.01)

 

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