Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik
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Ina
Prätorius: Hallo Ihr, jetzt bin ich zurück von meinem ersten grossen Zusammentreffen mit Juristinnen. Das war ganz toll. Eine Versammlung weiblicher Brillanz und Schönheit, die nur einen ganz kleinen Kick braucht, um ihre hohe Sprachkompetenz aus den Bahnen des "Richtig-Denken-Wollens" zu befreien zum postpatriarchalen Weiterkommen. Wir haben über "öffentliches Glück" geredet, über "weibliches Begehren und Geld/Gold", über den Eros des Ordnung-Schaffens durch eine präzise Sprache - alles Themen, die diesen Frauen ganz vertraut sind, die sich aber lange versteckt haben hinter einer Corporate Identity des Solidarischseins mit den weiblichen Opfern, die oft bis zur Selbstausbeutung gereicht hat. In den Juristinnen steckt ein riesiges Potential, denn sie haben sprachliche und analytische Fähigkeiten, die an alltäglichen Konflikten geschult sind, und eine grosse Fähigkeit, Dinge ohne Umschweife auf den Punkt zu bringen. Berichte/Materialien zur Tagung sind demnächst abzurufen unter (http://www.fjo.ch) (29.10.00) (weiter auf der Seite Juristinnen)
Antje
Schrupp: Neugierig gemacht hat mich jetzt vor allem das Stichwort "Öffentliches Glück" - was ist das denn? Mir fällt dazu dieser Postkartenspruch ein: "Es ist verboten, in der Öffentlichkeit gut gelaunt zu sein" (oder so ähnlich), der mal bei uns in der WG hing... (29.10.00)
Ina
Prätorius: Ich versuche also zu rekonstruieren, wie der Begriff "öffentliches Glück" in einer Arbeitsgruppe über "Vorurteile gegen JuristInnen" entstanden ist: Zuerst versuchten sich die Teilnehmerinnen zu erklären, warum diese Vorurteile - korrekt - langweilig, un-spirituell, funktionierend - gegenüber den Fachleuten des Rechts in Umlauf sind. Die Antwort hiess, dass es eben die JuristInnen seien, die "den Rahmen setzten", innerhalb dessen dann Glück und Sinn stattfinden könne. Also diese alte Kiste vom politischen Rahmen und vom privaten Glück. Und dieses "Rahmen-Setzen" sei nun mal keine besonders sinnliche oder phantasievolle, aber eben leider nötige Arbeit... Ich habe dann die Frage gestellt, ob sie diese dualistische Vorstellung denn tatsächlich noch aufrechterhalten wollen und ob sie ihren Erfahrungen entspricht. Dann kamen ziemlich viele Geschichten über die Defiziterfahrungen in "rein privaten" Glücksmomenten und über das "wirkliche Glück", das sich durchaus in diesen unheimlich vielfältigen Arbeitsbereichen der Juristerei - Prozesse, Verwaltung, Projekte, Gesetzgebung, Wissenschaft... - ereignet und das die Frauen dann einhellig vor allem dort lokalisierten, wo es ihnen gelingt, gemeinsam Welt nicht nur in den herkömmlichen "Rahmen" hineinzuordnen, sondern zu gestalten (z.B. im Netzwerk der feministischen Juristinnen, aber durchaus auch in Prozessen oder politischer Arbeit). Ueber diese Erfahrungsberichte sind wir gemeinsam zum Begriff des öffentlichen Glücks gelangt und zu der Erkenntnis, dass das Kriterium für Glück nicht "Privatheit" oder "individuelle Lust" ist, sondern eher: "der Welt dienen in Beziehung" - vom Mittagessenkochen bis hin zur höchst widersprüchlichen Praxis in einer Ethikkommission oder einem Sozialversicherungegericht oder ... Dieser Begriff des öffentlichen Glücks, der da plötzlich sehr mächtig im Raum stand, hat alle begeistert. Das Knistern der Heiligen Geistkraft war deutlich zu vernehmen. (29.10.00)
Angelika
Niederberger: ich finde die Formulierung des (öffentlichen) Glücks als "der Welt dienen in Beziehungen" total nachdenkenswert und fruchtbar, weil sie etwas benennt, für das wir bisher keine Bezeichnung hatten. Zuerst konnte ich nicht so recht damit, weil es so klösterlich klingt und auch von der einzelnen Frau wegweist. Aber wenn frau den Gedanken einflicht, dass sie Bestandteil der Welt ist und sie damit auch sich dient, geht es eher. Also vielleicht: "meiner Lebenswelt dienen in Beziehungen" oder so. Vielleicht gelingt es im Laufe der Zeit diese Beschreibung zu einem Begriff zu verdichten. (3.11.00)
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