Glosse von Ina

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

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Glosse von Ina
Politik und Spiritualität

 

Am Wegesrand lagen viele Enttäuschungen

von Ina Praetorius (April 2000)

 

In einem Interview mit dem Politologen Marc Lazar über die Entwicklungen in der französischen kommunistischen Partei PCF lese ich: “Hue (der Parteipräsident) will den Parteiapparat mit einer neuen Funktionärsgeneration bevölkern... Man kann fast von Säuberung sprechen. Hue beruft sich ausserdem auf das Paritätsprinzip und holt viele Frauen in die Parteiämter. Damit holt er sich auch Anerkennung, doch am Wegrand werden viele Enttäuschte bleiben...”

Könnte es sein, dass die Kommunistinnen, die mann vorher nicht in diese Parteiämter “geholt” hat, auch irgendwann enttäuscht waren? Geht es nur um “Säuberung”, “Anerkennung” und ums  “Paritätsprinzip”, oder vielleicht auch um neue politische Ideen, wenn Frauen Parteiämter übernehmen? Um welche? Und wovon sind die traurigen Herren Kommunisten am Wegesrand eigentlich so enttäuscht? Etwa davon, dass ihr Präsident eine Forderung, die sie uns seit Jahrzehnten immer wieder mal in einer flammenden Rede vorgetragen haben, Wirklichkeit werden lässt?

In der neuen feministischen Flugschrift “Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn” steht zu lesen: “Männer nutzen öffentliche Aemter und Funktionen – genau wie den Bereich der beruflichen Tätigkeit – um sich ihre männliche Grösse zu spiegeln. Die Erfahrung der Frauen, dass die Politik der Frauenförderung in Wirtschaft und Politik auf so hinhaltenden männlichen Widerstand stösst, hat nicht nur mit konkreten materiellen und Macht-Interessen und dem drohenden Verlust von Privilegien zu tun. Es geht vielmehr um das männliche Imaginäre: Männer verteidigen Männer-Räume, weil sie ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Männlichkeit unter Männern zu spiegeln.”– sprich: sich im Fernsehen anzugucken.

Geht es eigentlich irgendwo in der Politik noch um Politik? Um das anstrengende Geschäft also, mit Sachkompetenz , Gesprächsfähigkeit und Fehlerfreundlichkeit ein Gemeinwesen gerecht zu gestalten? Politik scheint tatsächlich in erster Linie das Ziel zu haben, dass Männer im Fernsehen kommen. Und wenn sie das nicht dürfen, dann sind sie enttäuscht.

Und warum ist Johannes Rau deutscher Bundespräsident geworden? Sicher, vollkommen unfähig ist er nicht, und nett ist er auch. Aber ganz offensichtlich ging es auch bei seiner Wahl vor allem darum, dass man einen, der so brav und so lange auf die Krönung seiner Karriere gewartet hat, nicht enttäuschen  darf. “Die Nichtberücksichtigung von Frauen für ... Aemter”  wird je länger je mehr  “nicht mehr mit der mangelnden fachlichen Kompetenz der Frauen begründet, sondern mit der mangelnden persönlichen Reife der Männer” ... Ohne Umschweife wird, links wie rechts wie in der Mitte, immer öfter zugegeben, dass es einem Mann “nicht zugemutet werden könne, bei der Besetzung dieser oder jener Position nicht zum Zuge zu kommen.". Ja merken denn die Herren nicht, wie lächerlich und entlarvend ihr larmoyantes Festhalten an öffentlichen Gelegenheiten zum Sichaufplustern ist?

Ich brauche keinen CDU-Spenden”skandal”, um zu kapieren, dass die inzwischen lange genug praktizierte Idee, mit  Politik sei das Vorrecht der Männer auf die Benutzung des öffentlichen Raums für Egophantastereien gemeint, keine Zukunft mehr hat in einer Zeit, in der nichts so notwendig ist wie politische Arbeit, die diesen Namen verdient. Aber es macht immerhin Spass zuzugucken, wie die Gockel, die so dringend bei Sabine Christiansen kommen  wollten, ebendort herumsitzen wie solche, denen das Kommen  gründlich vergangen ist .  

Dass Angela Merkel, nach all dem grossartigen Luftablassen, jetzt CDU-Vorsitzende werden soll, ist zwar noch kein Grund, mit dieser Partei zu sympathisieren. Denn möglicherweise bedeutet ihre Wahl langfristig nichts anderes als die Instrumentalisierung von Weiblichkeit, östlicher Frische und Glaubwürdigkeit für einen weiteren Versuch, die Internationale der Männchenmacher zu retten.  Sollte die Merkel aber an der Spitze bleiben (dürfen), werde ich ernsthaft drüber nachdenken, ob ich meine parteipolitischen Präferenzen neu sortieren soll. Denn in einer Partei, die ihre Politikunfähigkeit derart gründlich zur Schau gestellt hat, dass nichts mehr Nennenswertes von ihr übrig ist – ausser den paar gescheiten Frauen, die da seit einiger Zeit von sich reden machen -, könnte doch tatsächlich ein Neuanfang des Politischen stattfinden. Oder etwa nicht?

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