Antje Schrupp im Netz

Von neuen Heiden und alten Göttern

Die religiösen Mythen der Rechtsradikalen

(Video): »Wenn wir verstanden haben, dass Himmel und Hölle unsere Gedanken und Taten sind … werden wir unsere Heimreise zur Ganzheit antreten.«

Mit sanfter Stimme, unterlegt von sphärischen Klängen, entführt ein Videoband in neue Welten. Sein Titel: »UFO – Geheimnisse des Dritten Reiches«. Die Bilder zeigen kleine Buddhas, mysteriöse Figuren im Fantasystil und geheimnisvolle Schriftzeichen. Das Video, das in der rechtsextremen Szene zirkuliert, wurde von der österreichischen Gruppe Royal Atlantis Film GmbH produziert. Drehbuchautoren sind die österreichischen Neonazis Jürgen Rathofer und Ralf Ettl. Sie erzählen in ihrem knapp einstündigen Film die Geschichte von einer esoterischen Technik, die die Nazis mit Hilfe von alten Mysterien und außer-irdischen Gottheiten entwickelt hätten.

(Video): »In den alten Schriften rund um die Welt versunkener Kulturen ist immer wieder die Rede von raumfahrenden Göttern, die herniederstiegen, um der Menschheit beim Übergang in ein neues Zeitalter Wissen und Erkenntnis für den nächsten Schritt der Evolution zu vermitteln. Die okkulten Geheimgesellschaften des 3. Reichs kannten diese Schriften und suchten den Kontakt zu ihren raumfahrenden Göttern, die in Babylon gelandet waren.«

Die neue Propaganda der rechtsextremen Szene handelt nicht mehr von säbelrasselnden Soldaten, militaristischem Pomp und Großmannssucht. Sanftere Töne werden angeschlagen. Das dritte Reich wird mit einer Aura von Spiritualität gewappnet und die Nazipropaganda bedient sich aus dem dem Vokabular der Esoterik- und New Age-Szene. Statt »Ausländer raus« heißt es: »Nicht nur Bäume haben Wurzeln, auch Menschen brauchen ihre Heimat«. Von Ganzheitlichkeit ist die Rede, von Harmonie und transzendentem Wissen und von den Polen Ying und Yang, die die Kräfte der Welt bestimmen. Das Ziel dieser neugewandeten Naziideologie ist jedoch das altbekannte.

(Video): »Die dunkle wie die weiße Macht dient nur einem Herrn: Dem Schöpfer alles Seins. Mit dem fernen Ziel, durch des Lebens Erfahrung den Übermenschen zu erschaffen.«

Der Übermensch, das ist heute wie gestern die nordische Rasse, das sind die Arier, die Weißen. Daß sie zur Vorherrschaft zu führen und vor sogenannter »Überfremdung« zu schützen seien, das ist der gemeinsame Nenner. Doch seit immer häufiger rechtsextreme Parteien und Kampfsportgruppen verboten werden, seit die Polizei bei rassistischen Übergriffen strenger durchgreift und Anschläge auf Flüchtlingsheime die Neonaziszene bei weiten Teilen der Bevölkerung in Verruf gebracht haben, bahnt sich ein Strategiewechsel an: Weg von festen Organisationen, die doch nur in Randbereichen der Gesellschaft Fuß fassen können, hin zur Besetzung von symbolischen Begriffen. Die US-Skinheads »Independent White Racialists« stellen im Internet längst ihr »concept of leaderless Resistance« vor, ihr Konzept des führerlosen Wider-standes. An die Stelle der hierarchischen Organisation ist die Idee getreten, oder besser: der gemeinsame Glaube. Eine solche Kursänderung braucht ideologische Vordenker, und sie hat sie in der sogenannten »Neuen Rechten« gefunden – in bürgerlichen Intellek-tuellen, die das Ende von Humanismus und Demokratie verkünden. Zum Beispiel so:

«Eine alte, noch etablierte politische Ära geht zu Ende: Die anorganische Politik der Gleichheitslehre. Eine neue politische Ära, die legitimen Anspruch auf die Macht haben wird, steht bevor: Die organische Politik, die das Recht auf Verschiedenheit wahrnimmt. Das Biologische und das Kulturelle sind im Grunde eins: eine Gesellschaft stellt ein biokulturelles System dar, indem beide Sphären ineinander dringen und aufeinander wirken.«

So beschreibt Pierre Krebs, Vordenker der neuen Rechten, in seinem Buch »Mut zur Identität« die neue Ideologie. Krebs ist Gründer des Kasseler Thule-Seminars, das dem spirituell-völkischen Denken gesellschaftliche Geltung verschaffen soll. Gleichheit ist out, Verschiedenheit ist in – und zwar nicht in einem philosophischen, universalismuskritischen Sinn verstanden, sondern knallhart biologisch-rassistisch. Peppig gemachte Aufkleber der Thule-Gesellschaft transportieren die Botschaft: »Rasse ist Klasse – für eine heterogene Welt homogener Völker« heißt es dort, denn: »Multikulturell ist monoprimitiv«. Auch, wo der Gegner sitzt, wird auf den Punkt gebracht: »Gib der Bibel keine Chance«, heißt es auf einem anderen Aufkleber. Für Friedrich Paul Heller, Mitautor eines Buches über den Okkultismus der neuen Rechten, ist die Feindschaft gegenüber der jüdisch-christlichen Kultur ein wesentliches Merkmal aller neurechten Gruppen.

Friedrich Paul Heller: »Das Christliche wird wahrgenommen als eine europafremde Religion, die aus dem Judentum kommt und mithilfe von gewaltsamer Mission die Europäer und das heißt in diesem Fall fast immer die Germanen, unterdrückt hat, das heißt Europa über 1000 Jahre eine fremde Religion übergestülpt hat. Man geht dann davon aus, dass während dieser 1000 Jahre christlicher Entfremdung es so etwas wie einen Urstrom gegeben hat, der geblieben ist und in gewissen Leuten, dann wird dann Luther etwa genannt, stets mal wieder aufgetaucht ist und dass heute die Zeit gekommen ist, wo diese christliche Phase zu Ende geht und das ursprüngliche Europäisch-Germanische durchkommt. Gemeint ist damit eine Beziehung des Menschen zur Natur, die er als göttlich versteht. Gottheiten sind dann nur so gewisse Wesenszüge im Verhältnis des Menschen zur Natur, also man glaubt nicht an Wotan, sondern man nimmt Wotan als die Idee dafür, dass der Mensch zur Natur in einem harmonischen Verhältnis steht.«

Als Alternative zur artfremden, aus dem Orient stammenden jüdisch-christlichen Tradition wird der Rückgriff auf das germanisch-keltische Heidentum angedient. Den Anfang machte bereits 1969 die Orientalistin Sigrid Hunke mit ihrem Buch »Europas andere Religion«. Die langjährige Vizepräsidentin der Deutschen Unitarier, der Nachfolgeorganisation der im Nationalsozialismus aktiven Deutschen Glaubensbewegung, ist heute eine regelmäßige Autorin des Thule-Seminars. 1981 folgte Alain de Benoist, Vordenker der Nouvelle Droite, der Neuen Rechten in Frankreich, mit seinem Buch »Heide sein«, das schon ein Jahr später im rechtsextremen Tübinger Grabert-Verlag auf deutsch erschien. Inzwischen gibt es zahllose heidnische Splittergruppen, die meistens untereinander zerstritten sind. Die Mehrzahl von ihnen vertritt eindeutig rassistische Positionen. Zum Beispiel die »Artgemeinschaft e.V.« unter Führung des Hamburger Rechtsanwaltes Jürgen Rieger, auch er ein Autor des Thule-Seminars. Um Mitglied in der Artgemeinschaft zu sein, muss man, so wörtlich, »überwiegend nordische Menschenart« verkörpern und im sogenannten »Sittengesetz unserer Art«, gewissermaßen dem Glaubensbekenntnis der Gruppe, heißt es:

«Das Sittengesetz in uns gebietet gleichgeartete Gattenwahl, die Gewähr für gleichgeartete Kinder. Das Sittengesetz in uns gebietet Treue und Vertrauen, Zuneigung und Liebe gegenüber Verwandten, Freunden und Gefährten, Wachsamkeit und Vorsicht gegenüber Fremden, Härte und Hass gegen Feinde.«

Im Organ der Artgemeinschaft, der Nordischen Zeitung – für die auch in der Neonazi-Hetzschrift »Nationaler Beobachter« geworben wird – heißt es über eine Spendenaktion der katholischen Kirche:

«Die Spenden in diesem Jahr sollen dafür verwendet werden, um Brunnen in Mosambik zu bohren, damit der enorme Bevölkerungsüberschuss in diesem afrikanischen Land noch größer wird. In zwanzig Jahren haben wir die dann als Asylanten hier.«

Wie Jürgen Riegers Artgemeinschaft kaschieren immer mehr rechtsextreme Gruppen ihre rassistische Botschaft mit heidnischem und spirituellem Vokabular. Doch es gibt auch heidnische Gruppen, die sich von neonazistischer Propaganda distanzieren, wie die Heidnische Gemeinschaft in Berlin oder der in Frankfurt ansässige Hecksenkreis Yggdrasil:

Volkert Volkmann: »Heiden haben mit Nationalsozialisten überhaupt nichts zu tun, überhaupt mit faschistoiden Leuten gar nichts zu tun, sondern es sind Leute, die eher offen sind, wir grenzen uns gegenüber allen rechtsextremistischen politischen Gruppen ab, und zwar ganz gleich, ob die sich rechts oder links oder sonst irgendwie nennen, das ist ne Frage der Betrachtung.«

Volkert Volkmann, der sich als Druide bezeichnet und den Hexenkreis Yggdrasil leitet, kritisiert am gegenwärtigen Boom des Heidentums in der Neonazi-Szene, dass es dort nicht um die Rückbesinnung auf eine vergangene Kultur gehe, auf die germanischen oder keltischen Naturreligionen vor der Christianisierung Europas, sondern um eine Neuauflage esoterischer Spinnerei des 19. Jahrhunderts. In der Tat bezieht sich die Neonazi-Esoterik hauptsächlich auf ariosophische und theosophische Traditionen der Jahrhundertwende. Auf die Schriften von Helene von Blavatsky, Adolf Lanz von Liebenfels oder Guido von List aus dieser Zeit, und auf das, was dort als heidnische Tradition ausgegeben wird. Ein zweiteiliges Propagandavideo trägt den Titel »Die okkulte Geschichte des Dritten Reiches« und spekuliert über die mystische Bedeutung des Hakenkreuzes und die subversive Tätigkeit geheimer Orden. Und in einem anderen Video heißt es:

(Video): »Das Okkulte des 3. Reiches liegt bis auf den heutigen Tag unter einem dichten Schleier von Rätselhaftigkeit und Geheimnis. Seine führenden Männer kamen aus den Kreisen der Thule-Gesellschaft und der SS. Deren Ideen unterschieden sich sicherlich in vielem von der von der NSDAP betriebenen Politik. Die schwarze Sonne war ihr Zeichen.«

Die schwarze Sonne abgekürzt SS – spielt in der gesamten Neonazi-Esoterik eine wichtige Rolle. Einer der gegenwärtigen Bestseller auf dem Neonazi-Buchmarkt, »Die Schwarze Sonne von Tashi Lhunpo« erzählt in Krimimanier die Geschichte des großen Kampfes zwischen nordischer Rasse und jüdischer Freimaurerei. Demnächst soll die Story sogar verfilmt werden, ein Drehbuch jedenfalls wird schon von den einschlägigen Buchversandstellen angeboten. Die SS als ordensähnlich organisierte, rein arische Eliteeinheit wird häufig als Gegenpol zur bürokratisierten NSDAP dargestellt. Während die Partei 1945 untergegangen ist, besteht die SS, so glaubt man, im Geheimen weiter.

Wilhelm Landig: »Es war dann so, dass Sondereinheiten damals von uns und der SS haben ja dann die Dinge in Sicherheit gebracht, die sind dann ja auch nach der Antarktis verbracht worden. Und von dort sind dann die Sachen natürlich nach Südamerika hinüber, weil da die Antarktis langsam abgebröckelt ist, aus dem andern Grund, weil ja die Gesundheitsfrage eine große Rolle gespielt hat.«

Der heute 86jährige österreichische Alt-Nazi Wilhelm Landig ist der profilierteste Vertreter nationalsozialistischer Esoterik im deutschsprachigen Raum. Der frühe Hitler-Anhänger war im angegliederten Österreich unter den Nazis Sachbearbeiter des Sicherheitsdienstes der SS für geheime Reichssachen und will in dieser Funktion an der Entwicklung von UFOs beteiligt gewesen sein. In einem Interview mit Friedrich-Paul Heller gibt er bereitwillig Auskunft.

Wilhelm Landig: »Nach Kriegsende sind 2000 junge Menschen noch in die Antarktis geschafft worden, aus der Bundesrepublik, also, die hat man darunter gebracht, aber die sind mittlerweile alle nach Südamerika verfrachtet worden. Das ist nur immer ein kleiner, ein ganz kleiner Rest da unten, der ausgetauscht wird.«

Den Mythos, dass die SS als geheimer Orden weiterexistiert und zur Reinhaltung der arischen Rasse Jugendliche in die Antarktis geflogen habe und ähnlich absurde Spinnereien hat Landig in seiner Romantrilogie »Thule« ausführlich geschildert, die in Nazikreisen bis heute kursiert. Durch Vortragsreisen und eine rege Verlagstätigkeit hat Landig Einfluss auf die Szene ausgeübt. In »Wolfszeit um Thule« schreibt er:

«Thule ist das Licht und die Kraft, Brücke von einer Hochrasse, mit einer einst volks- und naturnahen Hochreligion an ein Höchstes Wesen und mit einem Kulturbringerauftrag und Sendungsbewusstsein eines noch nicht versiegten Blutstromes. In diesem Blut, das in den Adern unserer Nordleute fließt, ist immer noch das heimliche Singen um Thule, um das Gesetz des Mitternachtsberges, um den Sammelpunkt im Norden, wo sich die Leute finden, um morgen oder übermorgen wieder die ersten zu sein.«

Der elitäre Grundgedanke eines nordischen Volkes, das in einem mythischen Ort gründet, steht im Mittelpunkt nationalsozialistischer Glaubensspinnerei. Für Altbackenes ist man bemüht, neue Begriffe zu finden. Friedrich-Paul Heller:

«Die religiösen und politischen Neuheiden reden selten und ungern von der arischen Rasse. Sie meinen sie zwar häufig, sie reden gelegentlich auch davon, aber meistens reden sie von Europa. Das ist eine Wendung, die eingetreten ist, nachdem man gemerkt hat, dass das pure Kleben bleiben am Nationalsozialismus einfach in eine historische Sackgasse führt. Man hat einen Europabegriff, der auch davon ausgeht, dass Europa primär ein weißer Kontinent ist, von weißen Menschen bewohnt, Osteuropa und Südeuropa wird dann so als Rand mitakzeptiert, der Herkunftsort dieser Rasse ist manchmal das sagenhafte Atlantis, oder auch Helgoland … präsent.«

Statt an alte neonazistische Terminologie anzuknüpfen suchen die neuheidnischen Gruppen Anschluss an anderes Terrain: Sie profilieren sich mit Themen wie ganzheitliche Spiritualität und Umweltschutz. Zum Umweltschutz gehört, so verstanden, auch die Reinhaltung der Natur von Überbevölkerung und die Reinhaltung der Rasse von Überfremdung. Jedes Volk, so die Parole, soll in seiner artgemäßen Umwelt verwurzelt bleiben. Diese Gruppen stellen sich dann offiziell gerne als »unpolitisch« dar und sehen offen-neonazistische Propaganda in ihren Kreisen nicht gerne. So präsentiert sich die Berliner »Arbeitgemeinschaft naturreligiöser Stammesverbände Europas«, kurz ANSE, als Dachverband der politisch unbedenklichen Heiden. In den Einladungen zu ihren überregionalen Zusammenkünften weist sie ausdrücklich darauf hin, dass, so wörtlich, »keine in politischen Kreisen übliche Kleidung oder Symbole« getragen werden sollen. Es ist aber klar, um welches Klientel es sich dabei handelt. Im Programm der ANSE heißt es unter der Überschrift »Unsere Abendländische Naturreligion«:

«Da unsere überlieferte Götterkraft im Abendland nur durch uns Abendländer fortbesteht, muss sie auch von uns Abendländern bewusst angenommen und gepflegt werden. Diese Aufgabe kann uns keine kulturkreisfremde Konfession und kein Nichtabendländer abnehmen. Solche europafernen Lehren müssen wir aus bitterer Erfahrung als Vertreibung aus unserem eigenen Heil einstufen.«

Zu den Klängen von Wagner treffen sich bei den ANSE-Veranstaltungen skurrile Gestalten in Knickerbockern und folkloristischen Gewändern, manche erscheinen auch als Wikinger verkleidet oder in mittelalterlichen Fantasiekostümen. Man tauscht Adressen aus, das Runen-Staborakel erteilt Götter-Rat in allen Schicksalsfragen. Zu Kaufen gibt es nordgermanischen Schmuck und andere Heiden-Accessoires, für die ansonsten auch in Naziblättern wie »Der Freiwillige« geworben wird. Zu trinken gibt es Met und anderes Selbstgebrautes, es wird ein bisschen über konkurrierende Heidengruppen gelästert und Vorträgen über Naturmagie, Baumwissen und germanische Mythologie gelauscht. Mittendrin die ANSE-Gründerin Sigrun Schleipfer, die sich selbst Freifrau von Schlichting nennt, als mütterliche Integrationsfigur.

Das Bemühen, vermehrt in esoterisch-spirituelle oder gar grün-alternative Bereiche vorzudringen, ist unverkennbar. In der ANSE-Zeitung »Hugin und Munin« wird das Abdriften der Grünen nach links und ins multikulturelle Lager ausdrücklich bedauert:

«Das aktivere und bewusstere Leben, das auch in der grün-alternativen Bewegung ihren Ausdruck fand, führte im Zuge der verstärkten Einschleusung außereuropäischer Volksgruppen zu einer verstärkten Re-Education durch die Hintergrundmächte. Die grün-alternative Bewegung wurde von links unterwandert.«

Die ANSE ist sozusagen der öffentlich wirksame Arm einer schon älteren neuheidnischen Gruppe, der Armanen, die als Geheimorden organisiert sind und in der Frauen und Männer eine religiös-spirituelle Heimat finden, die politisch im rechtsextremen Lager aktiv sind. Die beiden sogenannten Großmeister des Ordens sind Sigrun Schleipfer und ihr Ex-Mann Adolf Schleipfer, beide haben eine lange rechtsextreme Geschichte und Verbindungen zu verschiedenen neonazistischen Gruppen und Personen. Die Armanen verstehen sich als die natürliche Religion aller Germanen und ihr Programm ist unverblümt rassistisch:

«Angehöriger des Armanen-Ordens ist jeder Germane und Kelte, der die armanische Weisheit als seine erblich bedingte, natürliche Religion und Lebensgrundlage ansieht.«

Gemischtrassige Ehen sind ein großes Vergehen. Der Skandinavistin Stefanie von Schnurbein, die den Armanenorden für eine wissenschaftliche Arbeit erforscht hat, erklärte ein Mitglied:

«Wir Heiden, wir wissen ja um die Wiedergeburt. Wir wissen ja auch, dass die Seele im Augenblick des Todes den Körper verlässt. Und wenn jetzt ein neues Leben gezeugt wird, dass dann die Seele angezogen wird in diesen neuen Körper hinein. Wenn jetzt verschiedene Partner aus verschiedenen Völkern oder Rassen sich zusammentun, dann ist die Seele in einem Körper gefangen, der ihr zum Teil gar nicht entspricht. Mischlingsseelen gibt es nicht, und die Seele wird immer Probleme haben, sich in diesem Körper zurechtzufinden.«

Rassistische Propaganda wird in religiösen Gruppen, die sich in ihrer Satzung und Außenwerbung unpolitisch geben, durch die Religionsfreiheit geschützt. Nach Beobachtern aus der Antifa-Arbeit ist das mit ein Grund, warum die religiös-mythologische Ausrichtung der rechtsextremen Szene an Bedeutung gewinnt. Sven Müller, der seit Jahren Informationen über rechtsradikale Gruppen und Personen sammelt, kommt zu dem Schluss:

Sven Müller: »Also die meisten organisierten Nazis sind schon in so neuheidnischen Gruppen drin, …, auf den Treffen der Armanen taucht eigentlich keine Person auf, die nicht diesem Neonazi-Spektrum angehört, und das ist auch deswegen interessant, weil natürlich diese Gruppen von den Verboten ausgenommen sind, sind ja erst mal nur religiös, stehen unter dem Schutz von Religionsfreiheit und haben damit für sich schon sonen Freiraum, den sie auch nutzen. …«

Das verbindende Element der verschiedenen Neonazigruppen und Neuheiden ist längst nicht mehr die Verherrlichung Hitlers oder des Nationalsozialismus, sondern der Rassismus. Nicht mit militanter Gewalt, nicht mit Brandsätzen in Flüchtlingsheimen wollen sie die beschworene Gefahr einer kulturellen und biologisch-rassischen Überfremdung bannen, sondern durch stetiges Einwirken auf den öffentlichen Diskurs. Vermeintlich seriöse Autoren der Neuen Rechten arbeiten da Hand in Hand mit neuheidnischen Spinnern – während die einen immer häufiger nationalistische und rassistische Ideen auch in der etablierten konservativen Presselandschaft unterbringen, wirken die anderen in das links-alternative und esoterisch-spirituelle Lager hinein. Sven Müller:

Sven Müller: »Wenn man vergleicht, wie stark heute die esoterische Bewegung, wie stark irrationale Elemente die hat, auch wie stark die autoritäres Denken wieder propagiert, einen neuen Naturmythos, dann denk ich schon, da gibt's Parallelen. Na klar, nicht jeder, der esoterisch interessiert ist, denkt in diese Richtung, aber es gibt zumindest Elemente. Und wenn man sich die Wirkungsgeschichte der Neuen Rechten in den siebziger und achtziger Jahren anguckt, dann merkt man schon, wie wenige Gruppen es packen, ihr Denken in so ne ganze Bewegung reinzubringen, wie auf einmal Nationalismus auch von der Linken diskutiert wurde und das waren kleine Gruppen, die das geschafft haben.«

In der Tat umfasst der harte Kern der neuheidnisch-rechtsextremen Szene nur ein rundes Dutzend Gruppen mit vielleicht tausend Mitgliedern. Doch die Wirkung, die von ihnen ausgeht, ist ungleich größer. Schon prägt die Idee, dass man sich vor zu vielen Einwanderern abschotten muss, das Denken breiter Bevölkerungskreise. Die faktische Abschaffung des Asylrechts ist nur die Spitze dieses Prozesses. Der liberale Grundkonsens von der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und vor Gott – von den Rechtsradikalen als Grundübel des jüdisch-christlichen Denkens kritisiert – ist auch jenseits der Neonaziszene längst nicht mehr selbstverständlich. Yggdrasil-Leiter Volkert Volkmann, der auch die internationalen neuheidnischen Zusammenhänge kennt, weist jedoch darauf hin, dass das kein deutsches Phänomen ist.

Volkert Volkmann: »Ich kann dir nur sagen, das, was du hier an rassistischen Sachen in Deutschland kriegst, ist harmlos, wirklich echt harmlos gegen das, was im Ausland momentan läuft. Du musst dir mal diese rassistischen Sachen angucken, die aus Dänemark kommen, aus England kommen, du da stehen dir die Haare zu Berge, oder aus Frankreich, da stehen dir wirklich die Haare zu Berge.«

Die Internationalisierung auch der neonazistischen Szene wird durch die neuen elektronischen Medien vereinfacht. Via Internet können Informationen in Sekundenschnelle ausgetauscht werden, Einladungen, Terminankündigen, all das geht vorbei an den bisher üblichen Kontrollmechanismen des Staates. Seit 1992 gibt es in Deutschland ein »Thule-Netz«, einen neonazistischen Mailbox-Verbund, in dem vor allem der Kampf gegen Antifaschisten organisiert wird. »Kann mir jemand mal ein paar Adressen von aktiven Anti-Faschisten im Kreis Kassel besorgen?« wird da zum Beispiel gefragt, man ruft zu Rudolf-Heß-Gedenkmärschen auf oder tauscht Literatur und Videos. Was in Deutschland verboten ist, kann über das Datennetz aus dem Ausland legal abgerufen werden. Dabei machen rechtsradikale Verlage und Gruppen gezielt Werbung in den vermeintlich unpolitischen neuheidnischen Gruppen. Wie das funktioniert, hat zum Beispiel Sven Scholz erlebt. Scholz, der aus Interesse an Geschichte und frühgermanischer Kultur inzwischen so etwas wie einen religiösen Germanenkult praktiziert, musste erleben, dass es fast unmöglich ist, Kontakte zur rechtsextremen Szene zu meiden.

Sven Scholz: »Dieser Verlag der Freunde, die haben ein Entschuldigungsschreiben geschrieben dafür, dass sie uns das jetzt geschickt haben, weil ihnen vom Staatsschutz ihre Abonnementenkarteien konfisziert worden sind und sie deswegen jetzt einfach neue Adressen brauchen, suchen und scheinbar dann mit uns zu finden hoffen und einfach mal davon ausgehen nach dem Motto, wir sind potentielle Kunden für deren Schund, sag ich mal…. das sind dann einfach auch Geschichten, die nicht ungefährlich für uns sind, weil jetzt z.B. bei den Sachen, wir müssen auch da so dagegen vorgehen, dass wenn unsere Namen, also mein Name ist jetzt bei denen in der Kartei, jetzt kommt da noch mal der Verfassungsschutz vorbei und findet den Namen da drin, da bin ich auch auf der Liste, so schnell rutscht man da in sone Sache rein, obwohl man gar nicht drin sein will oder drin ist, also ich hätt's mir nicht so gefährlich vorgestellt, auch vom rufschädigenden Charakter her.«

Sven Scholz gründete vor knapp zwei Jahren mit Gleichgesinnten den »Rabenclan e.V.«. Hier versammeln sich Germanen, Hexen, Zauberer, Kelten und Druiden, die sich von jedem Rassismus explizit distanzieren und jenseits von neonazistischem Muff die Idee einer Naturreligion in Europa wiederbeleben wollen, die diesseitsorientiert sein soll und nicht auf eine jenseitige Erlösung ausgerichtet. Scharf kritisiert der Rabenclan nicht nur die Inhalte der ANSE, der Armanen oder anderer rassistischer Gruppen, sondern auch die Yggdrasil-Leute.

Sven Scholz: »Yggdrasil sagt ja sie haben nichts zu tun mit Rechtsradikalismus, ja gut, das glaub ich denen auch, trotzdem seht ich z.B., dass sie Kontakte halten zur ANSE, die meiner Meinung nach jetzt da doch etwas schwieriger anzusehen ist, und in deren Blatt, das Hugin und Munin find ich auch immer wieder Anzeigen oder auch Einladungen zu Festivitäten vom Yggdrasil-Kreis, wo ich mich dann frag, wo ist die Konsequenz von dieser Abgrenzung. Ich kann mich nicht abgrenzen und dann trotzdem Kanäle oder Möglichkeiten nutzen, deren Herkunft eben irgendwo sich mit dieser Abgrenzung meiner Meinung nach nicht zusammenpassen. Yggdrasil mag nicht rechtsradikal sein und überhaupt nichts damit zu tun haben, aber was ich ihnen vorwerfen kann ist ne gewisse Inkonsequenz.«

Yggdrasil-Leiter Volkert Volkmann dagegen sieht sich als Vermittler, der seine Vorträge bei den Armanen oder bei Veranstaltungen der ANSE damit rechtfertigt, dort für ein ursprüngliches Heidentum zu werben, das mit neonazistischen Tendenzen unvereinbar ist. Die Wirksamkeit solcher Bemühungen muss jedoch bezweifelt werden. Auf jeden Fall wächst der diffuse Randbereich, an dem sich esoterische New-Age-Szene und okkult-mythologische Neonazi-Gruppen überschneiden. Augenfällig wird das zum Beispiel bei den Sonnwendfeiern an vermeintlich heidnischen Kultstätten wie den Externsteinen im Teutoburger Wald, wo die schwarzstiefeligen Naziaufmärsche früherer Jahre inzwischen von einer Ansammlung esoterischer Naturfreunde abgelöst wurden, die sich dort spirituelle Erleuchtung erhoffen. Gerade weil sie sich als unpolitisch verstehen, sind sie empfänglich für eine sanftgewendete Nazipropaganda, in der die Rede vom Übermenschen als Vision vom Übergang ins New Age, ins Wassermannzeitalter daherkommt. Wie in diesem Nazivideo, das deutlich macht, wo sich rechtsextreme Ideologie heute zu Hause fühlt: Im religiösen Supermarkt der Esoterik.

(Video): »Hier reiften jene esoterischen, okkulten und sumerischen Ideen und Anschauungen, aus denen später das Dritte Reich hervorgehen sollte …. Es war die Zeit eines ungeheuren Auflebens zahlloser Geheimlehren und Orden. Templer und Rosenkreuzer, Illuminaten und Freimaurer, Anthroposophen und Theosophen, Neutempler und Armanen. Manche von ihnen schienen plötzlich aus einem jahrhundertelangen Schlaf erwacht zu sein. Was sie erweckte, war der bevorstehende Aufgang eines neuen prophetischen Weltzeitalters, der Wechsel vom Fischezeitalter ins Wassermannzeitalter.«

(Diese Radiosendung lief erstmals im März 1996 im Hessischen Rundfunk)

Atlantis – Video: http://video.google.de/videoplay?docid=7380611327825391213