Macht und Politik sind nicht dasselbe
Ein neues Buch der Diotima-Philosophinnen von der Universität Verona – jetzt im Buchhandel!
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Politik hat heute keinen guten Ruf. Viele Menschen trauen »den Politikern« nicht mehr zu, die Welt im Sinne des guten Zusammenlebens aller zu gestalten. Haben wir es mit dem endgültigen Rückgang der Politik zugunsten einer staatlichen Macht zu tun, die zum bloßen Instrument der stärksten ökonomischen Kräfte geworden ist?
Die italienische Philosophinnengruppe Diotima stellt das in Frage. Sie geht von der Beobachtung aus, dass heute Macht und Politik ständig verwechselt werden – und nicht nur in Italien. Es herrscht Unklarheit über die Unterschiede. Das Streben nach Macht ist an die Stelle von wirksamem politischem Handeln getreten, und es ist diese Verwirrung, die die Politik beschädigt und lächerlich macht.
Die Diotima-Frauen halten es für eine oberflächliche Betrachtungsweise, wenn für das gegenwärtige Elend der Politik nur der Machthunger bestimmter Personen und Einrichtungen verantwortlich gemacht wird. Sie lehnen es ab, eine moralische Frage daraus zu machen. Stattdessen suchen sie, ausgehend von den feministischen Analysen der vergangenen Jahrzehnte, nach Möglichkeiten, wie die Politik wieder aus ihrer Ohnmacht herauskommen könnte. Dabei wahren sie eine distanzierte Haltung zu den Mitteln der Macht, denn nur die Politik – und nicht die Macht – kann einen neuen Weg eröffnen.
Damit geben sie auch eine Antwort auf den Umstand, dass die klassischen politischen Strukturen für viele Frauen keine große Attraktivität. Parteien klagen, wie schwierig es sei, Kandidatinnen zu finden – an männlichen Bewerbern herrscht hingegen nie Mangel. Das bedeutet aber nicht, dass Frauen politisch desinteressiert wären, im Gegenteil. Politik – im Sinne des gemeinsamen Verhandelns über die Regeln des Zusammenlebens – findet ja nicht nur in Parteien und Parlamenten statt, sondern überall, in privaten Initiativen, am Arbeitsplatz, sogar in der Familie.
Wenn das Streben nach Machtpositionen und ihrem Erhalt wichtiger wird als Inhalte, dann ist der Raum des Politischen gefährdet. Die Abneigung vieler Frauen gegenüber Machtpolitik könnte, so gesehen, gerade ein Hinweis auf ihre politische Leidenschaft sein.
Die italienischen Denkerinnen betonen, dass Macht und Politik nicht als gegensätzliche Blöcke zu verstehen sind, sondern sich permanent vermischen. Die Unterschiede sind subtil und nicht leicht zu erkennen. Es geht nicht darum, sich prinzipiell von der Macht fernzuhalten. Das Anliegen der Autorinnen ist es, die Leidenschaft für Politik gerade auch innerhalb von Machtstrukturen zu erhalten.
Übersetzerinnen und Herausgeberinnen:
Dr. Antje Schrupp ist Politikwissenschaftlerin und Journalistin und lebt in Frankfurt am Main. Sie beschäftigt sich vor allem mit weiblicher politischer Ideengeschichte und bloggt unter www.antjeschrupp.com regelmäßig zu politischen und gesellschaftlichen Themen.
Dr. Dorothee Markert ist freiberufliche Publizistin und Lerntherapeutin und lebt in der Nähe von Freiburg im Breisgau. Ebenso wie Antje Schrupp ist sie seit vielen Jahren vom Denken der „Italienerinnen“ inspiriert. Dorothee Markert bloggt unter www.dorotheemarkert.wordpress.com.
Videos zum Thema
Im Vorfeld habe ich mit einigen der Autorinnen kurze Interviews geführt.
Chiara Zamboni spricht über das Begehren nach Politik und wo es momentan zu finden ist.
Rezensionen
Jutta Pievecka auf »Gleisbauarbeiten«: DAME oder SCHACHMATT?
Björn Wagner: Portal für Politikwissenschaft
Christoph Fleischer auf »Der schwache Glaube«: Impulse feministischer Philosophie aus Italien
Bernd Hüttner im Blog der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Ruth Amman in Neue Wege – – Achtung, der Link für zu einem pdf, das sich direkt selbst runterlädt!
Artikel zum Thema
Antje Schrupp: Zur feministischen Kritik an Parlamentarismus und Parteien
Antje Schrupp: Macht und Politik sind nicht dasselbe (Vortragsmanuskript, März 2013
Dorothee Markert: Vortrag zur Buchvorstellung im Juni 2012 in München
Antje Schrupp: Die Politik aus ihrer Ohnmacht befreien (pdf)
Antje Schrupp: Macht und Politik sind nicht dasselbe (Artikel GWR)
Dorothee Markert: Eine Gewerkschaft kehrt zur Politik zurück und weiß es nicht.