In: Spinnboden Lesbenarchiv und Bibliothek e.V., Berlin
Blicke in die Zukunft sind gewagt. In Schrupps Ausführungen beginnt er mit einer Umordnung der Vergangenheit: »Frauen hatten nicht etwa einen Mangel entdeckt – den Mangel an Geld, … an Ämtern und Einfluss… Sie hatten vielmehr eine Fülle entdeckt: die des weiblichen Begehrens«. Allein das Umdrehen bisheriger Definitionen reicht nicht für eine Positionierung. In gegenwärtigen Debatten spricht niemand mehr von »der« Frauenbewegung, denn eine homogene Gruppe von Frauen, die sich engagierten, gab es nicht. Auch wenn Schrupp dies weiß, wie es die letzten Seiten des Buches erkennen lassen, so sollte sie eine wesentliche Differenzierung wie diese zu Beginn nicht einfach ignorieren. Erkenntnisse, die laut Schrupp die Frauenbewegung hervorgebracht haben soll (die Möglichkeit sagen zu können: »Ich bin eine Frau und kann … gerade deshalb frei in dieser Welt handeln.«) sind kein Ergebnis der Frauenbewegung, sondern nach wie vor Plädoyer und ein Ruf nach Gewährung dieses Rechts, aber längst nicht Realität. Schrupp zitiert Johnny Depp, um ihren Gedanken zu belegen, Männer seien heute keine Patriarchen, sondern »Piraten«. Schrupp setzt auf neue Definitionen, die auf Veränderungen hinweisen sollen, die aber nicht weiterhelfen. Vor lauter Engagement erfindet sie Begriffe wie »Spektakeldemokratie«, »echte Öffentlichkeit« und »echte Politik«. Ihre Sprache ist fast eine Mündliche voller alltagssprachlicher Floskeln. Es ist eine romantisch verblümte (und daher wenig konkret). Sie schreibt: »Der ›Hunger nach Sinn‹ ist heute ein ganz großes Begehren sehr vieler Frauen.« In der Sinnsuche sieht Schrupp das Potenzial, das eine Frau in Bewegung setzt. Dass ihr Bedürfnis des Findens ›heute‹ ›ganz groß‹ ist, interpretiert sie als positives Zeichen für die Zukunft der Frauenbewegungen. Man fragt sich freilich, ob es ›gestern‹ nicht auch schon ›ganz groß‹ gewesen sein könne. Die Autorin bestimmt ihre Begriffe nicht und lässt damit ihren Text sowie die Lesenden auf Glatteis fahren.
Das Buch eignet sich für jene, die sich noch nicht mit Frauenbewegungen befasst haben, die auf der Suche nach einer Definition, nach einer individuellen Perspektive sind. Für all jene, die nach tieferen Einblicken suchen, ist das Buch kein Gewinn.
Daniele Scharrer