Main-Spitze, 8.3.2005
Die Befreiung des weiblichen Begehrens
von Andrea Duphorn
RÜSSELSHEIM Am heutigen Dienstag jährt sich der »Internationale Frauentag« zum 93. Mal. Im August 1910 auf Initiative der deutschen Feministin und Sozialistin Clara Zetkin beim internationalen sozialistischen Kongress in Kopenhagen ins Leben gerufen, will er Jahr für Jahr an das Menschenrecht der Gleichbehandlung von Frau und Mann in Gesellschaft, Arbeitswelt und Familie erinnern. Die Bücher aus dem Rüsselsheimer »Christel Göttert Verlag« verbindet seit vielen Jahren der Wunsch, die Unterschiedlichkeit von Frauen und die Vielfalt weiblichen Schaffens und Denkens sichtbar zu machen und dem weiblichen Blick auf die Welt Ausdruck zu verleihen.
Die Neuerscheinung »Zukunft der Frauenbewegung« ist in der Reihe der »Philosophischen Bändchen« erschienen. Diese bietet kurze philosophisch-politische Grundlagentexte zu unterschiedlichen Themen der alltäglichen politischen Praxis von Frauen. In »Zukunft der Frauenbewegung« richtet Autorin Antje Schrupp den Blick zunächst auf die ursprünglichen Anliegen der Frauenbewegung. Wobei das eigentlich Bedeutsame derselben für sie nicht in politischen Erfahrungen besteht, sondern in der Befreiung des weiblichen Begehrens.
Für die in Frankfurt lebende Politikwissenschaftlerin, Publizistin und Journalistin ist es – Kürzungen und Streichungen in nahezu allen Frauenbereichen zum Trotz – nicht die Frauenbewegung, die sich in der Krise befindet, sondern herkömmliche politische Strukturen.
»Die Frauenbewegung ist die wohl erfolgreichste Bewegung, die die westliche Welt erlebt hat«, schreibt Antje Schrupp. Und: »Kein anderer gesellschaftlicher Bereich hat sich in den letzten 30 Jahren so sehr zum Positiven verändert wie das Verhältnis von Frauen und Männern.« Regierung und Opposition, die Gesetze erlassen, »die schlicht und ergreifend unsinnig sind, weil sie (…) gar kein Ziel haben, sondern sich gegenseitig widersprechen«, und die Unfähigkeit der Wirtschaft, Wohlbehagen und Wohlstand zu fördern, sind für die Autorin nicht mehr als Indizien für das Ende des Patriarchats.
Eine kleine Geschichte der Frauenbewegung. Und ein Buch, das Frauen ermutigen will, sich neuen Herausforderungen zu stellen, nach neuen Möglichkeiten (frauen-)politischen Handelns zu suchen und dabei wie die italienischen Differenzphilosophinnen vor allem auf »echte« Beziehungen zu setzen, die ihnen helfen, in der Welt frei zu sein. Denn »Krisenzeiten sind günstige Gelegenheiten für Abenteurer oder könnten es werden. Und wir sind Abenteurerinnen.« (Luisa Muraro, Mailänder Philosophin)
Antje Schrupp: »Zukunft der Frauenbewegung«. Christel Göttert Verlag, 80 Seiten, fünf Euro (ISBN 3-922499-75-9).