Beginen in Frankfurt
Auf alten Plänen ist es noch zu sehen: Zum Frankfurter Dominikanerkloster gehörte seit dem Mittelalter auch ein Nonnenkloster. Es schloss sich nördlich an die Klosteranlage an, muss also etwa jenseits der Berliner Strasse, Richtung Konstablerwache hin gelegen haben. Dem Sträßchen, das damals von der Innenstadt auf dieses Frauenkloster zuführte, gaben die Frankfurter den Namen »Nonnengässchen«.
Die Entstehung dieses Frauenklosters ist ziemlich genau zu datieren: Im Jahr 1336 stellte die Frankfurter Stadtbürgerin Metza Gerliben ihr neben dem Dominikanerkloster gelegenes Wohnhaus für eine religiöse Frauengemeinschaft zur Verfügung. Auch wenn man nichts genaueres Metza Gerliben und über die Frauen, die hier lebten, weiß, so waren sie doch Teil einer religiösen Bewegung, die man in diesen Jahrhunderten unter dem Begriff »Beginen« zusammenfasste.
Seit dem 13. Jahrhundert gab es in Europa überall ein stärker werdendes Bedürfnis nach klösterlichem Leben – vor allem unter Frauen. Nicht alle konnten oder wollten aber in ein Kloster eintreten, sei es, dass sie dort keine Aufnahme fanden oder dass sie sich nicht auf ein lebenslanges Gelübde festlegen wollten. So wurde es immer üblicher, dass alternative Formen religiöser Lebensgemeinschaften von Frauen entstanden – das konnten alleinlebende Frauen sein, die sich religiös engagierten, Frauenpaare, die gemeinsam wohnten und arbeitetn, aber auch kleinere und größere organisierte Wohngruppen mit hunderten von Mitgliedern. Außerdem gab es sogenannte »vagabundierende« Frauen, die, einzeln oder in Gruppen, wie die Bettelmönche durch die Lande zogen.
Anfang des 13. Jahrhunderts taucht erstmals in Belgien und Nordfrankreich für diese Frauen der Name »Begine« auf. Es ist umstritten, woher dieser Begriff kommt, manche sehen darin eine Kurzform des Ketzernamens »Albigenser« – das würde darauf hinweisen, dass die offizielle Kirche diese Frauen anfangs für ketzerisch hielt -, andere leiten ihn aus dem Wort »beige« ab, womit die grau-braune Farbe ihrer Gewänder gemeint sein könnte. Wieder andere beziehen es auf eine heilige Begga als Gründerin oder auf einen Lütticher Priester namens Lambert li Beges (der Stotterer), der solche Frauenkonvente gegründet habe.
Doch eigentlich macht dieser Sammelbegriff ohnehin keinen Sinn, denn allzu viel unterschiedliches wird hierunter zusammengefasst – alle religiösen Frauen eigentlich, die weder im Kloster noch in der Ehe lebten. Bei den Beginen handelt es sich um eine Bewegung, die ein weit verbreitetes Bedürfnis religiöser Frauen nach anderen Lebensformen widerspiegelt und ganz unterschiedliche Versuche, solche Formen auszuprobieren. Es gibt sie keine einheitlichen Regeln für Beginenkonvente und auch keine zusammenhängende Organisation oder Struktur. Manche Gemeinschaften hatten gar keine festen Regeln, andere arbeiteten genaue Verträge, vor allem für die wirtschaftliche Seite des Zusammenlebens aus – die meisten Beginenkonvente finanzierten sich schließlich aus der Arbeit ihrer Mitglieder, sei es im Handwerk, in der Krankenpflege oder im Handel. Was das religiöse Zusammenleben betraf, so sahen die Beginen da offenbar weniger Regelungsbedarf – jedenfalls ist kaum etwas in dieser Hinsicht überliefert.
In Frankfurt sind die ersten Beginen bereits um das Jahr 1242 erwähnt, und man schätzt, dass es Anfang des 14. Jahrhunderts bereits um die fünfzig solcher Gruppen gab, die aber wohl meistens sehr klein waren. Dass die Gründung eines größeren Beginenkonvents, wie im Fall von Metza Gerliben, auf die Stiftung einer vermögenden Frau zurückging, war keineswegs unüblich, auch nicht, dass man sich in der Nachbarschaft eines Dominikanerklosters (oder auch eines Franziskanerklosters) ansiedelte, um so die eigene Rechtgläubigkeit zu zeigen – und vielleicht auch sicherzustellen.
Dem späteren Klosterplan zufolge hat der Beginenkonvent neben dem Frankfurter Dominikanerkloster sich schon bald über das erste Stiftungshaus hinaus vergrößert und im Lauf der Zeit einen ganzen Gebäudekomplex bewohnt. Die Beginenverfolgungen im 14. und 15. Jahrhundert haben diese Frauen offenbar gut überstanden, vielleicht eben auch wegen ihrer Nähe zu den Dominikanern, denen ja die Leitung der Inquisition oblag. Auch eine andere Gefahr haben sie offenbar gut überstanden, an der viele Beginen in anderen Städten scheiterten: Die Auseinandersetzung mit den städtischen Zünften, denen nämlich die wirtschaftliche Aktivität der Frauengemeinschaften ein Dorn im Auge war, zumal sie als religiöse Vereinigungen von der Steuerpflicht befreit waren – vielleicht war dieser Streit in Frankfurt aber auch dadurch entschärft, dass die Stadt ohnehin schon Mitte des 16. Jahrhunderts den Klöstern und Konventen ihre Steuerbefreiung aufkündigte.
Bei aller Nähe zu den Dominikanern nebenan – der Frauenkonvent am Ende der Nonnengasse legte sehr lange Wert auf seine Unabhängigkeit: Noch im Jahr 1685 schlossen die Frauen einen regelrechten Vertrag mit ihren Nachbarn, in dem festgelegt wurde, dass der Prior des Dominikanerklosters ihnen jeden Morgen eine Messe lesen musste, wofür sie den Mönchen die Kleider wuschen und bügelten und das Kirchengerät putzten. Erst im 18. Jahrhundert ordneten sie sich als Dominikanerinnen schrittweise in die Gemeinschaft mit den Dominikanern ein.