WM: Fair Play auch im Bordell
Bei sportlichen Großereignissen mit überwiegend männlichen Fans boomt erfahrungsgemäß auch ein anderes Gewerbe: Das Frankfurter Rotlichtviertel rüstet sich schon für eine steigende Nachfrage. Doch nicht alle Prostituierten sind freiwillig im Geschäft. Zwangsprostitution und Menschenhandel könnten in den heißen Wochen zunehmen, warnen kirchliche Fraueninitiativen. Sie bitten gezielt die Freier um Mithilfe, damit den Opfern geholfen wird.
Es ist ein ehernes Gesetz der Marktwirtschaft, dass Nachfrage und Angebot zusammenhängen. Und wenn Männer in Massen zusammenkommen, dann steigt eben die Nachfrage nach Prostituierten. Manche Städte fürchten offenbar schon, dass es während der Weltmeisterschaft in den Bordellen eng werden könnte und rüsten ihre Infrastruktur auf: In Dortmund sollen so genannte »Verrichtungsboxen« für das schnelle Geschäft im Auto aufgestellt werden, Berlin will 100.000 Kondome unters Fußballvolk bringen.
In Frankfurt ist derartiges offenbar nicht im Gespräch. Dafür unterstützt die Stadt eine Aktion ganz anderer Art: 18.000 Euro hat sie der Beratungsstelle »Frauenrecht ist Menschenrecht« (FiM) für eine Kampagne zur Verfügung gestellt, mit der gezielt Freier aufgefordert werden, beim Kampf gegen Zwangsprostitution mitzuhelfen.
Denn nicht alle Prostituierten gehen ihrem Geschäft freiwillig nach. Schon lange machen kirchliche Fraueninitiativen darauf aufmerksam. Beim Weltgebetstag der Frauen 1980 haben thailändische Christinnen das Thema in die Debatte getragen, daraus gründete sich in Frankfurt eine »Ökumenische Thailandgruppe«, aus der später FiM hervor gegangen ist. Im Jahr berät die Initiative rund 80 Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind. Bundesweit kommen nach Auskunft von Geschäftsführerin Elvira Niesner jedes Jahr rund 1500 Fälle ans Licht, die Dunkelziffer könnte zehnmal so hoch sein. »Seit 1990 sind es nicht mehr die Asiatinnen, sondern vor allem Frauen aus osteuropäischen Ländern, sie machen 80 bis 90 Prozent aller Fälle aus«, so Niesner.
Zur Frage, wie viele Frauen wegen der WM zur Prostitution gezwungen werden, kursieren derzeit abenteuerliche Zahlen. Bis zu 40.000 Prostituierte zusätzlich erwartet angeblich der Deutsche Städtetag – »diese Zahl hat irgendjemand erfunden«, kommentiert Elvira Niesner das lapidar. Die Sache wird aber noch absurder: In den meisten Medienberichten wurden aus den 40.000 erwarteten Osteuropäerinnen mal eben 40.000 Zwangsprostituierte, als ob das schlicht dasselbe wäre. Eine Zahl, die seither auch von den meisten Aktivistinnen und Politikerinnen nachgeplappert wird. Vor allem, seit der Deutsche Frauenrat mit großem Mediengetöse eine Kampagne »Rote Karte für Zwangsprostitution« aus dem Boden gestampft hat.
Fakt ist vielmehr, dass die meisten Prostituierten freiwillig ihrem Geschäft nachgehen. Die Grenzen zwischen freiwilliger Prostitution und Menschenhandel sind allerdings manchmal fließend. Vor allem dann, wenn in kurzer Zeit viele zusätzliche Prostituierte ins Land kommen, wie zur WM zu erwarten: Da es kaum legale Möglichkeiten gibt, zu Prostitutionszwecken nach Deutschland einzureisen, nehmen viele Frauen die Hilfe von illegalen Schleusern in Anspruch. Doch wer illegal im Land ist, ist auch erpressbar. Da wird dann der Lohn gedrückt, werden Vereinbarungen gebrochen. Manche Frauen werden von Schleusern auch mit falschen Jobversprechungen angeworben – sie denken, sie würden als Kellnerinnen arbeiten und landen dann im Bordell.
Manchmal werden die Frauen regelrecht eingesperrt, auch körperliche Gewalt ist im Spiel. Kaum eine wagt es in so einer Situation, zur Polizei zu gehen. Deshalb setzen die kirchlichen Initiativen gezielt auf die Mitarbeit der Kunden: »Die Freier sind die einzigen, die unkontrollierten Zugang zu den Frauen haben«, sagt Elvira Niesner. Allerdings seien die Männer häufig nicht informiert, oft auch nicht wirklich interessiert. »Die Hälfte der Frauen, die wir beraten, hat schon einmal einen Freier um Hilfe gebeten. In den seltensten Fällen stößt das auf Resonanz.«
Das soll jetzt bei der WM anders werden. Mit Plakaten, Fernsehspots, Postkarten und anderen Medien, die FiM zusammen mit der Werbeagentur Saatchi und Saatchi entwirft, sollen Freier für das Problem der Zwangsprostitution sensibilisiert werden. Auch die Evangelische Männerarbeit ist mit dabei: »Es kann nicht im Sinne aufgeklärter Männer sein, die Dienste von Opfern des Menschenhandels in Anspruch zu nehmen«, so deren Geschäftsführer Martin Rosowski.
Die Beratungsstelle »Tamara« des Diakonischen Werkes geht – in Kooperation mit Pro Familia und anderen Initiativen – noch weiter: »Wir möchten Freier grundsätzlich für einen respektvollen und verantwortlichen Umgang mit Prostituierten sensibilisieren. Zwangsprostitution ist dabei ein wichtiges Thema, aber nicht das einzige«, sagt Beraterin Monika Hoffmann. Bei der Internationalen Automobilausstellung gab es schon einen ersten Testlauf mit Infoständen an der Kaiserstraße. »Die Männer haben das Angebot sehr gut aufgenommen«, sagt Hoffmann, »das Interesse war groß.« Solche Stände soll es auch während der WM in der Innenstadt und beim Stadion geben. Postkarten und Handzettel geben zudem Tipps und Empfehlungen für den verantwortlichen Besuch im Bordell.
Weil der Weg, betroffenen Frauen zu helfen, am ehesten über die Männer führt, die deren Dienste in Anspruch nehmen, beurteilen viele Engagierte an der Basis die Kampagne des Frauenrats zwiespältig. Es sei wenig hilfreich, Briefe mit der Bitte um Unterstützung an prominente Fußballer zu schreiben und sich dann wortgewaltig darüber zu entrüsten, dass diese zurückhaltend reagieren. Natürlich spricht es nicht unbedingt für den Deutschen Fußballbund, wenn dessen Chef Gerhard Mayer-Vorfelder mitteilt, man wolle in dieser »leidigen Angelegenheit« lieber nicht aktiv werden, schließlich unterstütze man ja schon die SOS-Kinderdörfer. Oder wenn deutsche Nationalspieler wie Oliver Kahn das ganze Anliegen schlicht ignorieren.
Aber im Zweifelsfall identifiziert sich der Fußballfan als solcher nun mal eher mit Olli Kahn als mit dem Deutschen Frauenrat. Pauschale Frontenbildung – hier die armen Frauen, dort die bösen Männer – ist deshalb kontraproduktiv: »Es ist jeder Freier nützlich, der sich nicht verfolgt fühlt, sondern kooperiert«, sagt Monika Hoffmann.
Was Freier tun können:
Informieren Sie sich über Zwangsprostitution. Machen Sie sich Ihre Verantwortung bewusst: Sie sind vielleicht der einzige Mensch, der die Frau unter vier Augen trifft – und damit auch der einzige, der ihr helfen kann.
Lenken Sie die Nachfrage, legen Sie Wert auf die Freiwilligkeit der Dienstleistung – Sie entscheiden schließlich darüber, was angeboten wird!
Wenn eine Prostituierte um Hilfe bittet, nehmen Sie das ernst. Auch wenn die Frau nicht gut deutsch spricht.
Achten Sie auf Anzeichen für Zwang: Werden übermäßige Kontrollmaßnahmen ergriffen? Hat die Frau Verletzungen am Körper? Ist sie bereit, sämtliche Dienstleistungen zu erbringen, zum Beispiel auf Kondome zu verzichten? Verhandelt sie selbstbewusst über Angebot und Preise, oder ergibt sie sich passiv in ihr Schicksal?
Spielen Sie im Verdachtsfall nicht den Helden. Notieren Sie sich stattdessen Ort und Uhrzeit, merken Sie sich die Umstände und rufen Sie hinterher die Polizei an oder wenden sich an eine Beratungsstelle.
Weitere Informationen auf den Internetseiten: www.stoppt-zwangsprostitution.de und www.freiersein.de.
Aus: Evangelisches Frankfurt, Nr. 1/2006