Antje Schrupp im Netz

Die Politik der Frauen hat nicht zum Ziel, die Gesellschaft zu verbessern, sondern die Frauen zu befreien und ihnen freie Entscheidungen zu ermöglichen.“

*(Philosophinnengruppe Diotima in Verona)

Die ‚Zwei‘ der Geschlechterdifferenz dient – wie die ‚Drei‘ der Dreieinigkeit – ja nicht zum Zählen. Es gilt zu verstehen, dass die Differenz jedes Einzelwesen durchzieht und es daran hindert, vollständig zu sein und sich somit selbst zu genügen.

(Luisa Muraro)

Der ideale Untertan eines totalitären Regimes ist nicht der überzeugte Nazi oder der überzeugte Kommunist, sondern das Individuum, für das es keinen Unterschied mehr zwischen Realität und Fiktion, zwischen wahr und falsch mehr gibt.

(Hannah Arendt)

Wofür ich appelliere, ist eine Gesellschaft von Bürgern, die sich eingestehen, bedürftig und hilflos zu sein. Das ist der Ausgangspunkt einer humanen Politik.

(Martha Nussbaum)

Es ist besser, langsam Vorwärts zu machen und alle mitzunehmen, die ein Teil der Reise sein möchten, anstatt Leute abzuhängen. Wenn wir zu schnell vorwärts preschen, werden wir früher oder später von denen zurückgeholt, die nie richtig verstanden haben, worum es eigentlich geht.

(Thuli Mandonsela)

… nicht glauben, Rechte zu haben. Das bedeutet nicht, die Gerechtigkeit in Frage zu stellen oder zu deformieren, aber wir können nicht mit Recht erwarten, dass die Dinge gemäß der Gerechtigkeit geschehen, zumal wir doch selbst weit davon entfernt sind, gerecht zu sein. Es gibt eine schlechte Art zu glauben, Rechte zu habe, und eine schlechte Art zu glauben, keine zu haben.

(Simone Weil)

Ich behaupte nicht, Frauen seien von Natur aus mehr als Männer vor politischem Wahndenken, vor Wirklichkeitsflucht gefeit. Nur: Eine bestimmte geschichtliche Phase hat ihnen Voraussetzungen gegeben, einen Lebensanspruch für Männer mit auszudrücken. .. . Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass Frauen nicht mehr nur nach bloßer Gleichberechtigung, sondern nach neuen Lebensformen suchen. Vernunft, Sinnlichkeit, Glückssehnsucht setzen sie dem bloßen Nützlichkeitsdenken und Pragmatismus entgegen – jener „Ratio“, die sich selbstbetrügt: Als könne eine Menschheit zugleich wachsende Anteile ihres Reichtums für Massenvernichtungsmittel ausgeben und „glücklich“ sein; als könne es „normale“ Beziehungen unter Menschen irgendwo auf der Welt geben, solange eine Hälfte der Menschheit unterernährt ist oder Hungers stirbt. Das sind Wahnideen. Es kommt mir vor, dass Frauen, denen ihr neu und mühsam erworbener Realitätsbezug kostbar ist, gegen solchen Wahn eher immun sind als Männer. Und dass die produktive Energie dieser Frauen eine Hoffnung ist.

(Christa Wolf: Berührung. Maxie Wander, in: Die Dimension des Autors 1987, S. 207)

Ich habe lange gezögert, ein Buch über die Frau zu schreiben. Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen; außerdem ist es nicht neu. Besteht hier übrigens ein Problem? Und welches ist es denn? Gibt es überhaupt Frauen?

(Simone de Beauvoir, 1949)

Die Frau, erklärte Charvet rundheraus, ist dem Manne gleich und darf darum im Leben ihm keine Last sein. Die Ehe ist einfach eine Gesellschaftsverbindung … Alles zu gleichen Hälften; ist’s nicht so, Clémence? Gewiß, erwiderte die junge Frau, den Kopf an die Glaswand gelehnt und in die Leere starrend.

(Emile Zola: Der Bauch von Paris)

Der weibliche Wille zu sprechen, um zu sprechen, ohne zu wissen, was es exakt sagen will, ist ein Sprechen, um nichts zu sagen, damit das Unmöglich-zu-Sagende, das in den Worten widerhallt wie in einem hohlen Instrument, hörbar wird.

(Luisa Muraro: Der Gott der Frauen, 84f)

»Wenn zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen«. Nicht einer. Aber auch nicht hundert. Zwei oder drei. Warum hat man nie das Gespräch zu zweit oder zu dritt … unter die religiösen Übungen aufgenommen; keine Unterhaltungen, sondern Gespräche, die mit größtmöglicher Konzentration und Aufmerksamkeit geführt werden?

(Simone Weil: Cahiers II, 155)

Dass Menschen das Notwendige tun, auch ohne von außen aufgefordert oder durch Gesetze gezwungen zu werden, gibt uns Sicherheit, vor und jenseits von militärischen und ökonomischen Sicherheitsdispositiven. Wir vertrauen darauf, dass das Notwendige immer wieder getan wird, auch wenn es manchmal lästig ist und kein Preis winkt. Darin liegt ein Zauber, den wir uns mit der Vernunft alleine nicht wirklich erklären können.

(aus dem aktuellen Programmheft des Labyrinthplatzes in Zürich, www.labyrinthplatz.ch)

Eine Frau, die in Bezug auf ihre Freiheit nicht alle Möglichkeiten ausschöpft, verwechselt ihre persönlichen Probleme mit objektiven Hindernissen.

(Luisa Muraro)

Wenn ich nach der Wahrheit verlange, kommt für mich jeder Gedanke, der mir wahr erscheint, von Gott, selbst wenn er ein Irrtum ist. Jede Religion ist die einzig wahre, das heißt, dass man ihr in dem Augenblick, in dem man sie denkt, so viel Aufmerksamkeit zuwenden muss, als ob es nichts anderes gäbe; genauso ist jede Landschaft, jedes Bild, jedes Gedicht etc. das einzig schöne. Die »Synthese« der Religionen setzt eine niedrigere Form der Aufmerksamkeit voraus.

(Simone Weil: Cahiers, Bd. 2, S. 138.)

Philosophie bedeutet oft, eine gute Gelegenheit zu finden, das Offensichtliche zu sagen.

(Iris Murdoch: The Souvereignty of Good, Klappentext)

Die Frage der Frauenemanzipation, das heißt in letzter Instanz die Frage der Frauenarbeit, ist eine wirtschaftliche… Die Sozialisten müssen wissen, dass bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung die Frauenarbeit eine Notwendigkeit ist; dass die natürliche Tendenz der Frauenarbeit entweder darauf hinausgeht, dass die Arbeitszeit, welche jedes Individuum der Gesellschaft widmen muss, vermindert wird oder dass die Reichtümer der Gesellschaft wachsen; dass es nicht die Frauenarbeit an sich ist, welche durch Konkurrenz mit den männlichen Arbeitskräften die Löhne herabdrückt, sondern die Ausbeutung der Frauenarbeit durch den Kapitalisten, der sich dieselbe aneignet. […] Ehemals hatte der Verdienst des Mannes unter gleichzeitiger produktiver Tätigkeit der Frau im Hause ausgereicht, um die Existenz der Familie zu sichern; jetzt reicht er kaum hin, um den unverheirateten Arbeiter durchzubringen. […] Die in der Industrie tätige Frau, die unmöglicherweise ausschließlich in der Familie sein kann als ein bloßes wirtschaftliches Anhängsel des Mannes – sie lernte als ökonomische Kraft, die vom Mann unabhängig ist, sich selbst zu genügen. […] Gleichwohl kommt diese wirtschaftliche Unabhängigkeit allerdings im Augenblick nicht der Frau selbst zugute, sondern dem Kapitalisten. Kraft seines Monopols der Produktionsmittel bemächtigte sich der Kapitalist des neuen ökonomischen Faktors und ließ ihn zu seinem ausschließlichen Vorteil in Tätigkeit treten. Die von ihrer ökonomischen Abhängigkeit dem Mann gegenüber befreite Frau ward der ökonomischen Herrschaft des Kapitalisten unterworfen; aus einer Sklavin des Mannes ward sie die des Arbeitgebers: Sie hatte nur den Herrn gewechselt. Immerhin gewann sie bei diesem Wechsel; sie ist nicht länger mehr dem Mann gegenüber wirtschaftlich minderwertig und ihm untergeordnet, sondern seinesgleichen. Der Kapitalist aber begnügt sich nicht damit, die Frau selbst auszubeuten, er macht sich dieselbe außerdem noch dadurch nutzbar, dass er die männlichen Arbeiter mit ihrer Hilfe noch gründlicher ausbeutet. […] Das kapitalistische System allein ist die Ursache, dass die Frauenarbeit die ihrer natürlichen Tendenz gerade entgegengesetzten Resultate hat; das sie zu einer längeren Dauer des Arbeitstages führt, anstatt eine wesentliche Verkürzung zu bewirken; dass sie nicht gleichbedeutend ist mit einer Vermehrung der Reichtümer der Gesellschaft, das heißt mit einem größeren Wohlstand jedes einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft, sondern nur mit einer Erhöhung des Profites einer Handvoll Kapitalisten und zugleich mit einer immer größeren Massenverarmung. […] Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage ist so, dass weder der Kapitalist noch der Mann auf die Frauenarbeit verzichten können. Der Kapitalist muss sie aufrechterhalten, um konkurrenzfähig zu bleiben, und der Mann muss auf sie rechnen, wenn er eine Familie gründen will. […] wir erwarten unsere volle Emanzipation weder von der Zulassung der Frau zu dem, was man freie Gewerbe nennt und von einem dem männlichen gleichen Unterricht – obgleich die Forderung dieser beiden Rechte nur natürlich und gerecht ist – noch von der Gewährung politischer Rechte… Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein.

(Clara Zetkin: Rede auf dem Internationalen Arbeiterkongress zu Paris, 19.7.1889. Zit. nach Florence Hervé, Hrsg: Dort kämpfen, wo das Leben ist, Dietz-Verlag, Berlin 2007, S. 39ff))

Zunächst einmal müssen wir die Ansicht zurückweisen, das Problem des Konfliktes zwischen Erwerbsarbeit und Familie sei vor allem das Problem, dass die Lasten der Familienarbeit nicht gleich zwischen Frauen und Männern verteilt sind. Wir haben diese Straße schon ausprobiert und festgestellt, es ist eine Sackgasse.

(Martha Fineman: The Autonomy Myth, S. 171.)

Über Frauen und Männer zu sprechen setzt voraus, dass wir Zeuginnen sind für das, was wir sagen, da wir direkt mit dem Gesprochenen verflochten sind. Es erfordert, dass wir in erster Person denken und uns damit angreifbar machen.

(Chiara Zamboni: Unverbrauchte Worte. Frauen und Männer in der Sprache, S. 202.)

Die Gleichheit der Geschlechter ist heute das Gewand, mit dem sich die Unterordnung der Frau tarnt.

(Carla Lonzi: Wir pfeifen auf Hegel, 1975.)

Die Welt ist ein Text mit mehreren Bedeutungen, und durch eine Arbeit geht man von einer Bedeutung zu einer anderen über. Eine Arbeit, an der der Körper immer Anteil hat; genauso, wie wenn man Alphabet einer Fremdsprache lernt, dieses Alphabet durch das Schreiben der Buchstaben in die Hand dringen muss. Abgesehen davon ist jede Veränderung in der Art des Denkens Täuschung.

(Simone Weil, Cahiers I, 182f.)

Für die meisten Frauen bedeutet das Alter, meist mit Hilfe anderer Frauen, die Ankunft jener Freiheit, die die Männer schon immer hatten, die Frauen dagegen nie, und zwar vor allem die Freiheit, nicht länger die Bedürfnisse der anderen erfüllen zu müssen und nicht länger das Frausein repräsentieren zu müssen. Ich habe den Verdacht, dass, wenn wir alt werden, gerade die Privilegierteren von uns, diejenigen, die eine Rente haben und materiell abgesichert sind, Gefahr laufen, bewegungslos auf dem Punkt zu verharren, den wir mit der Rente erreicht haben. Dass wir uns mit der Rente von unseren täglichen Aufgaben verabschieden und zu viel Aufmerksamkeit den verkalkenden Arterien widmen. Ich glaube nicht, dass der Tod die Chance haben sollte, uns zu erwischen, wie wir es uns auf unseren Sofas bequem gemacht haben. Wir müssen vielmehr die Sicherheit und die Vorteile, die wir aufgrund unserer Position erreicht haben, nutzen, um Risiken einzugehen, um Krach zu schlagen, um mutig zu sein, um unbequem zu werden. Die alte Frau muss erst noch entdeckt werden hinter all den Masken, die ihr nach herkömmlicher Meinung das Recht vorenthalten, noch eine Frau genannt zu werden. Vielleicht ist sie dann zum ersten Mal wirklich eine Frau.

(Carolyn Heilbrun: Writing a Womans Life.)

Die Vernunft ist nicht auf der Suche nach Wahrheit, sondern nach Sinn. Und Wahrheit und Sinn sind nicht dasselbe.

Hannah Arendt: Vom Leben des Geistes, S. 25.)

Die Kunst, die Wahrheiten zu übersetzen, ist eine der wesentlichsten und der wenigst bekannten. Ihre Schwierigkeit beruht darauf, dass man sich zu ihrer Ausübung in den Herzpunkt einer Wahrheit versetzt haben und sie in ihrer Nacktheit jenseits der besonderen Form ihres jeweiligen zufälligen Ausdrucks, besessen haben muss. Im Übrigen ist die Möglichkeit der Übersetzung ein Prüfstein für eine Wahrheit. Was sich nicht übersetzen lässt, ist keine Wahrheit.

(Simone Weil: Die Einwurzelung, S. 106f.)

Souveränität kann nur dadurch zustande kommen, dass eine Vielheit sich so verhält, als ob sie einer wäre und dazu ein einziger. Solch ein Verhalten ist allerdings möglich, wie wir aus vielen Phänomenen der Massengesellschaft nur zu gut wissen, aber es besagt auch, dass es gerade Freiheit in einer solchen überhaupt nicht gibt.

(Hannah Arendt: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, S. 214f.)

Es ist äußerst notwendig, zwischen Relativismus und Relativität zu unterscheiden: Relativismus bedeutet, die Suche nach dem universalen Wahren und Richtigen aufzugeben, weil man glaubt, alle möglichen Antworten seien abhängig von Kulturen (oder Standpunkten oder Interessen), also historischer Natur und damit veränderbar, und keine könne sich als den anderen überlegen betrachten. Die Relativität hingegen, als Gedankengebäude und vor allem als geistige Einstellung, kann als ein unvorhergesehener Sieg über den Relativismus betrachtet werden. Dieser Sieg wird errungen und bildet sich heraus, indem man Vermittlungen sucht, um von dem einen zum anderen Standpunkt zu kommen. In der Praxis heißt das, Übersetzungen zu suchen zwischen dem, was ich in erster Person lebe, weiß, fühle in etwas, dass der/die andere verstehen kann, weil es dem, was er oder sie weiß, fühlt, lebt ähnlich ist oder darauf eine Antwort bietet, indem ich zugehört habe, als er/sie versucht hat, mir die Bedeutung seiner/ihrer Erfahrungen zu erklären.

(Luisa Muraro: Al capolinea della modernità (Via Dogana, September 2005))

Denken macht glücklich.

(Ina Praetorius beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, Mai 2005)

Ich denke, dass wir alle längst gewonnen haben, nur haben wir es noch nicht bemerkt. Die Wahnsinnigen, die uns beherrschen, haben es bemerkt, deswegen rennen sie verzweifelt gegen uns an wie gegen Wände. Aber wir begreifen es nicht, wir starren sie an, statt uns gegenseitig zu betrachten, und sagen, die Wahnsinnigen beherrschen uns, dabei haben wir längst gewonnen.

(Peter Lau, brandeins 6/2003)

Gegen etwas opponieren, bedeutet, es zu erhalten. Man sagt hier: »Alle Wege führen nach Mishnory«. Doch wenn man Mishnory den Rücken kehrt und es verlässt, ist man ganz eindeutig immer noch auf dem Weg nach Mishnory. Gegen Vulgarität opponieren bedeutet unvermeidlich, selbst vulgär zu sein. Nein, man muss woanders hingehen; man muss sich ein anderes Ziel setzen. Dann beschreitet man einen anderen Weg.

(Ursula K. Le Guin, Winterplanet)

Das ist die politische Kultur der Frauen mit der Wiederaufnahme und der Kultivierung der Differenz durch den Feminismus: Die Aufmerksamkeit für das Andere, die Wertschätzung des Gesprächs, das Wissen, das daraus entsteht, dass man sich selbst verändert, die Schaffung einer Autorität, die von der Macht unabhängig ist, das Zurückweisen jeder Form von Repräsentanz, das anwesend Sein in erster Person, das von sich selbst Ausgehen… Kurz – das, was wir die Politik des Symbolischen nennen.

(Luisa Muraro)