Journalistinnenbund, Heft 51, 2003

 

Victoria for president

Victoria Woodhull wollte 1872 Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Sie kam aus einer Familie von Betrügern und Wunderheilern, war 34 und hatte schon eine atemberaubende Karriere hinter sich. Ihr Plan ging nicht auf. Aber sie kennen zu lernen lohnt sich trotzdem. Die Frankfurter Journalistin Antje Schrupp hat jetzt ihre Biographie vorgelegt: "Das Aufsehen erregende Leben der Victoria Woodhull". Ein Buch über eine Frau, die zum Vorbild taugt.

Im April 1870 gab Victoria eine Anzeige auf: "Während andere meines Geschlechts einen Kreuzzug gegen Gesetze führen, die die Frauen des Landes einschränken, habe ich meine persönliche Unabhängigkeit behauptet. Während andere für bessere Zeiten beteten, tat ich etwas dafür. Während andere für di Gleichheit von Frauen mit den Männern argumentierten, habe ich sie unter Beweis gestellt, indem ich eine erfolgreiche Geschäftsfrau wurde. Im festen Glauben, dass die landläufigen Vorurteile gegen Frauen im öffentlichen Leben bald verschwinden werden, kündige ich hiermit meine Kandidatur für die Präsidentschaft an".

Reporter beschrieben ihre Schönheit, ihre ausdrucksstarken Augen, ihre angenehme Stimme. Das Wort des 19. Jahrhunderts für ihre Erscheinung war "magnetisch". Es gelang ihr mühelos, andere für ihr Vorhaben zu begeistern. Bald hatte sie eine wöchentliche Kolumne im Herald, kurz darauf gründete sie gar eine eigene Zeitung. Geld hatte sie damals genug. Sie hatte als "Wahrsagerin" den Eisenbahn-Magnaten Cornelius Vanderbilt bei Spekulationen beraten und kräftig mitverdient, und dann als Brokerin das Kapital vermehrt - als erste Frau an der Wall Street. Ihre Informationen beschaffte sie sich von Prostituierten. Sie bat die Frauen, ihre Ohren aufzusperren, wenn einflussreiche Männer ihnen ihr Herz ausschütteten. So wusste sie oft früh, was gespielt wird, konnte erfolgreich spekulieren und ihre Präsidentschaftskandidatur finanzieren.

Leider hat sie das Ziel dann verfehlt. Am Tag der Wahl saß Victoria im Gefängnis. Sie hatte in ihrer Zeitung einen Artikel veröffentlicht über Broker, die 15- oder 16-jährige Mädchen besoffen gemacht und ins Bordell geschleppt hatten, um sie dort zu vergewaltigen und damit zu protzen, die "rote Trophäe der Jungfräulichkeit" am Finger zu tragen. Anfangs applaudierten die Frauenrechtlerinnen, wenn Victoria Woodhull auftrat. Doch bald fanden sie, sie ginge zu weit. Sie ließen sie in der feministischen Geschichtsschreibung einfach nicht vorkommen.

In den 90er Jahren wurde Victoria in den USA neu entdeckt. Für den deutschsprachigen Raum schließt das Buch von Antje Schrupp jetzt die Lücke.

Cornelia Gerlach