Woodhull, Victoria
- geb. Claflin, verh. Martin
- US-amerikan. Frauenrechtlerin, Publizistin und Sozialistin
- * 23.9.1838 Homer/Ohio, USA
- † 9.6.1927 Bredon’s Norton/Worcestershire, UK
Victoria Woodhull kandidierte 1872 als erste Frau für das Präsidentenamt der USA. Als unorthodoxe Feministin und Sozialistin, Anhängerin der freien Liebe und erste weibliche Wall-Street-Brokerin wurde sie eine zeitlang zur Anführerin der radikalen amerikanischen Frauenbewegung.
Leben
Victoria Claflin kam aus der Unterschicht, ihren Lebensunterhalt verdiente sie lange als Wahrsagerin und Wunderheilerin. Nach einer unglücklichen Ehe mit Canning Woodhull und der Geburt zweier Kinder heiratete sie 1866 James Blood, einen Intellektuellen, dessen Namen sie jedoch nicht annahm. 1868 gingen beide nach New York City, wo Woodhull die spirituelle Ratgeberin des Eisenbahn-Unternehmers Cornelius Vanderbilt wurde und so zu Geld kam. Sie gründete zusammen mit ihrer Schwester Tennessee 1869 die Brokerfirma »Woodhull, Claflin und Co«, 1870 die Wochenzeitung »Woodhull and Claflin’s Weekly«, knüpfte Kontakte zu Politikern und Journalisten. Im Januar 1871 sprach sie als erste Frau vor dem Rechtsausschuss von Kongress und Senat in Washington und stellte dort ihr »Woodhull Memorial« zum Frauenwahlrecht vor, das sie für einige Jahre zur gefeierten Anführerin der radikaleren Frauenrechtsbewegung und gefragten Vortragsrednerin machte. Gleichzeitig engagierte sich Woodhull in der Arbeiterbewegung, gründete Sektionen der »Ersten Internationalen« und veröffentlichte die erste englische Übersetzung des »Kommunistischen Manifestes« von Marx und Engels. Im Mai 1872 gründeten 600 Delegierte aus 22 Staaten eine »Equal Rights Party« und nominierten Woodhull zu ihrer Präsidentschaftskandidatin. Doch Woodhull wurde von konservativen Reformkreisen wegen ihrer dubiosen Herkunft und ihrer Ansichten zur freien Liebe zunehmend angefeindet und kam wegen »Versendung obszöner Schriften« zeitweise ins Gefängnis. 1877 wanderte sie nach England aus, wo sie den Bankier John Martin heiratete und erneut eine Zeitung herausgab. Nach Martins Tod 1897 lebte Woodhull, gemeinsam mit ihrer Tochter Zula Maud, als wohlhabende Witwe auf dem Lande.
Werk
Victoria Woodhull war eine der wenigen Feministinnen des 19. Jahrhunderts, die nicht aus einem bürgerlichen Mittelstandsmilieu kamen. Ihr ging es weniger um den Kampf gegen diskriminierende Strukturen als darum, die Frauen selbst zu mehr politischer Verantwortung und Initiative aufzufordern. Woodhull wollte keine »Lobbyarbeit« für Fraueninteressen machen, sondern für eine freiheitliche Gesellschaft insgesamt eintreten. Neben dem Wahlrecht setzte sie sich vor allem für »soziale Freiheit« ein, forderte die Abschaffung der Ehegesetze, Gefängnisreformen, bessere Schulbildung. Ihre politischen Ansichten verbreitete sie fast ausschließlich in Vorträgen und Zeitungsartikeln.
Biografie: A. Schrupp, Das Aufsehen erregende Leben der Victoria Woodhull, 2002.
Zitat:
Victoria Woodhull hat mehr für die Frauen getan, als jede andere von uns es gekonnt hätte. Sie hat den Männern getrotzt und sie herausgefordert, und wurde dafür mit Schmähungen überschüttet, die eine Frau schaudern lassen. Sie hat es riskiert, mit jener Art von Schande gezeichnet zu werden, die jede andere von uns, die man doch immer willensstark genannt hat, gelähmt haben würde. Sie wird so berühmt sein, wie sie berüchtigt war, ehrlos gemacht von unwissenden und feigen Männern und Frauen. In den Annalen der Emanzipation wird der Name Victoria Woodhull als der einer Befreierin verzeichnet sein.
(Elizabeth Cady-Stanton)
in: Harenberg-Lexikon. Das Buch der 1000 Frauen, Meyers Lexikonverlag 2004.