Was wäre wenn?
Über das Begehren und die Bedingungen weiblicher Freiheit
16.90 EUR,
Paperback, 180 Seiten
Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach 2009
ISBN 978-3-89741-292-7
Einleitung
Wichtige Veränderungen vollziehen sich oft erst einmal unbemerkt vom Denken und ohne dass ihre Tragweite offen zu Tage tritt. Ganz besonders gilt dies für das Vordringen der Frauen in die öffentliche Sphäre, in den Bereich der Politik und der Arbeitswelt. Nach Jahrtausenden, in denen das Weibliche als das Andere galt und die Geschlechterdifferenz zur Folie für die Aufteilung der Welt in falsche Dualismen und Hierarchien gemacht wurde – Geist versus Körper, Kultur versus Natur, Öffentliches versus Privates, um nur einige zu nennen – ist diese symbolische Ordnung heute nicht mehr wahr. Doch welche Bedeutung und welche Auswirkungen diese Veränderung hat, ist bisher kaum durchdacht und benannt.
Die etablierten Institutionen der Wissensproduktion – Universitäten, Medien, politische Verbände – behandeln die Anwesenheit von Frauen eher beiläufig, so als wäre dies nur ein Detail, eine Fußnote der Weltgeschichte oder eine Angelegenheit, die lediglich die Frauen selbst betrifft. Zwar gibt es inzwischen eine Vielzahl wichtiger Bücher, meist von Frauen, die sich der Herausforderung stellen, diese Veränderung in Worte zu fassen und ihre Bedeutung zu erschließen. Doch sie werden im kulturellen Mainstream fast gar nicht rezipiert. Es scheint außerordentlich schwierig zu sein, das Denken und die Politik der Frauen als etwas zu begreifen, das sich auf das Ganze richtet, auf Frauen und Männer gleichermaßen sowie auf die gemeinsam bewohnte und zu gestaltende Welt.
Immer wenn die Realität und ihre Interpretation allzu sehr auseinanderklaffen, führt das zu symbolischer Unordnung, zu Unsicherheit und Verwirrung. Worte und Gesten, Normen und Institutionen werden sinnlos, und es ist schwer, zu verstehen, was geschieht. Dann erscheint es unmöglich, sinnvoll zu handeln. Die vielen Krisen, mit denen wir es in diesen Tagen zu tun haben, legen davon beredtes Zeugnis ab.
Was wäre, wenn das nicht alles ist?
Dieses Buch handelt davon, wie sich kulturelle Selbstverständlichkeiten und eingefahrene Denkbahnen verändern, wenn die sexuelle Differenz als eine wirksame Kraft wahrgenommen wird. Die Freiheit der Frauen ist, anders als ihre Emanzipation, keine vorhersehbare oder gar zwangsläufige Entwicklung. Sie kann daher auch nicht in den alten Denkmustern begriffen werden. Bei meinen Analysen und Vorschlägen beziehe ich mich auf die westlich-abendländischen Gesellschaften, auf ihre Geschichte, Denktraditionen und gegenwärtigen Prozesse. Das bedeutet nicht, dass ich den Austausch mit anderen Kulturen und weltanschaulichen Traditionen nicht ebenfalls für wichtig halte (im Gegenteil). Ich denke jedoch, dass die Klärung des Eigenen ein wichtiger erster Schritt ist, um einen solchen Dialog überhaupt sinnvoll führen zu können.
Natürlich sind die in diesem Buch entfalteten Thesen vorläufig, die Zwischenbilanz eines Prozesses, der seit vielen Jahren in Gang und noch längst an keinem Ende angelangt ist. Sie entstanden im Austausch mit anderen, viele Ideen und Anregungen von ihnen sind in dieses Buch eingeflossen.
Der Titel »Was wäre wenn?« ist dabei nicht utopisch zu verstehen. Denn das Nachdenken über die Welt führt oft zu der sehr befreienden Erkenntnis, dass es in Wahrheit schon längst anders ist. Das Begehren richtet sich zwar auf das Neue, das noch nicht Mögliche, das, was angesichts der Realität zu wünschen ist. Doch es ist nicht illusorisch, sondern angebunden an das Reale und an die Geschichte, aus der wir hervorgegangen sind. Andere Maßstäbe bieten nicht nur unerwartete und unvorhersehbare Zukunftswege, sondern auch neue Perspektiven auf die Gegenwart und auf die Vergangenheit.
Für mich selbst bedeutete dieser Denkprozess auch ganz konkret ein Mehr an persönlicher Freiheit, und ich würde mich freuen, wenn dieses Buch dazu beiträgt, dass auch andere – Frauen wie Männer – ähnliche Erfahrungen machen.
Inhaltsverzeichnis:
- Was kommt nach der Gleichstellung? Warum Emanzipation allein noch kein Feminismus ist
– Weiblichkeit denken. Versuch einer Begriffsbestimmung
–Abschied von der »guten« Mutter. Nachdenken über Mutterschaft und Freiheit
–Die Rückkehr der Vielehe. Warum wir längst nicht mehr monogam sind – und warum das auch nicht schlimm ist
–Konkurrenz ist unlogisch. Zum weiblichen Unbehagen an einer Kultur des Wettbewerbs
–Die Realität bewegen: über den Zusammenhang von Sprache und Autorität
–Neid. Ein ungeliebtes, aber viel sagendes Gefühl
–Dem eigenen Begehren folgen. Vom Einlassen in das Spiel des Lebens
–Brauchen wir »große Frauen«? Vom Sinn und Unsinn historischer Frauenforschung
–Was ist Arbeit? Statt einer Definition
–Mit Freude und Sinn: Überlegungen zur Gestaltung des Arbeitslebens
–Über das Müssen. Für eine andere Philosophie der Pflicht
–Ohne Netz und doppelten Boden: mit (Un)Sicherheit leben
–Das Böse sichtbar machen, ohne sich von ihm anstecken zu lassen
- Was wäre wenn? Weibliches Begehren und die Stärke des Neuanfangs
Rezensionen: