Was kommt nach der Gleichstellung?
(unkorrigierte Version Karlsruhe 2008)
Vergangene Woche Brigitte-Studie: Junge Frauen befragt, sie sind weiter. Sie wollen Kinder und Erfolg im Beruf, sie wollen sich engagieren, aber nicht aufreiben und die Super-Frauen sein, sie haben sich von weiblichen Idealbildern verabschiedet. Das ist sehr schön.
Inzwischen sind fast alle wesentlichen Anliegen der Frauenbewegung umgesetzt worden sind: Wohl niemand würde heute noch bestreiten, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind, dass Frauen berufstätig sein sollen, dass sie wirtschaftlich unabhängig sein müssen, dass Männer Frauen nicht prügeln dürfen, dass Mädchen überall gleiche Chancen haben sollen. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass die Frauenbewegung ganz schön viel erreicht hat. Grund zum Feiern. Die Emanzipation der Frauen ist weitgehend verwirklicht, wir haben inzwischen sogar schon eine Bundeskanzlerin, Programme zur Gleichstellung sind offizielle Regierungspolitik geworden, mit Hilfe von gender-mainstreaming-Programmen werden sie EU-weit von oben nach unten implementiert.
Allerdings findet der Feminismus ungenügende Antworten. Gender-Diskurse an den Unis, abgehoben, Sexy-F-Klasse-Feministinnen, Aufschwung der Hirnforschung.
Ich werde heute nicht darüber sprechen, an welchen Stellen die Gleichstellung noch immer nicht völlig verwirklicht ist, darüber, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer, weniger in hohen Positionen vertreten sind, die ganze Haus- und Fürsorgearbeit nach wie vor fast allein auf dem Buckel haben.
Woran ich erinnern möchte ist vielmehr etwas anderes: Und zwar dass es einen Unterschied gibt zwischen Emanzipation und Feminismus. Dies gerät heute in Vergessenheit, wenn gesagt wird, Frauen sind emanzipiert, wozu brauchen sie Feminismus. Wo alte Forderungen doch schon von der Wirtschaft aufgegriffen werden, die Fachkräfte braucht, wir eine Ministerin haben, die Krippenplätze schafft, usw.
Der Emanzipation geht es um die Gleichberechtigung der Frauen mit den Männern. Dem Feminismus hingegen geht es um weibliche Freiheit – und das geht weit darüber hinaus. Es geht darum, dem Wünschen und Wollen von Frauen mehr Einfluss zu geben, Frauen in die Lage zu versetzen, mit Selbstbewusstsein in die Welt zu gehen und diese ihren Wünschen entsprechend zu verändern. Der Maßstab des Feminismus ist nicht das, was Männer haben. Sondern Feminismus orientiert sich am Begehren der Frauen selbst – und das kann sich auch auf ganz andere Dinge richten als auf ehemals männliche Privilegien.
Großes Problem: Nützlichkeitsdebatte, Demografie, oder auch Beruf. in der taz zum Frauentag: Studie, warum Unternehmen mehr Profit machen, wenn sie Frauen im Management haben – das ist gefährlich, früher sollten sich Frauen in der Familie nützlich machen, heute im Beruf. Das hat nichts mit weiblicher Freiheit zu tun.
Dass Feminismus und Emanzipation nicht dasselbe ist, hören wir ja auch von vielen vor allem jungen Frauen, die sich heute mit großer Selbstverständlichkeit und mit viel Selbstbewusstsein durch diese emanzipierten Zeiten bewegen, und die dabei sagen: »Ja, natürlich sind wir emanzipiert. Aber Feministinnen sind wir keine.«
Oder wir hören es auch von Seiten von Männern und Frauen, die sich in Zeiten knapper Finanzen überlegen, was alles gekürzt und gestrichen werden kann, und die dann fragen, ob man Frauenzentren, Frauenkultur, Frauenzeitschriften und dergleichen überhaupt noch braucht – heute, wo Frauen doch längst emanzipiert sind!
Ich hingegen glaube ja, dass wir, gerade wenn Frauen emanzipiert und gleichberechtigt sind, den Feminismus dringender denn je brauchen. Denn je einflussreicher Frauen sind, je mehr wichtige Positionen sie einnehmen und je mehr Entscheidungen sie treffen können, desto wichtiger ist es doch, dass sie sich darüber austauschen, nach welchem Maßstab sie all das tun möchten, darüber, welche Erfahrungen sie haben und was daraus für die Gestaltung der gemeinsamen Welt zu lernen ist.
Die Gleichstellung der Frauen mit den Männern war für die Frauenbewegung ja nie ein Zweck an sich. Eine Gesellschaft, in der Frauen zwar gleichgestellt sind, in der aber sonst nicht viel funktioniert, die ist ja nicht erstrebenswert. Leben wir heute in so einer Gesellschaft? Einiges spricht leider dafür. Frauen haben zwar gleiche Rechte und sind in wichtigen Schlüsselpositionen. Aber gleichzeitig wächst die soziale Unsicherheit, ist das Problem der Armut und der Arbeitslosigkeit nicht gelöst. Frauen übernehmen immer mehr wichtige Positionen in den Medien, gleichzeitig sind die Medien immer weniger eine kritische Kraft. Allerorten bekennt man sich zu weiblichen Kompetenzen wie Beziehungsfähigkeit, emotionaler Intelligenz, der Wichtigkeit von Kommunikation, gleichzeitig erleben wir Vereinsamung, um sich greifende Skrupellosigkeit in wirtschaftlichen Belangen, wird es immer schwieriger, soziale oder familiäre Bindungen einzugehen.
Die Gleichstellung oder der Gender-Blick helfen uns da nicht weiter: Die Arbeiten sollen gleichmäßig unter den Geschlechtern aufgeteilt werden. Frauen sollen also ebenso wie Männer besser bezahlte Berufe übernehmen, sie sollen Managerinnen und leitende Angestellte und Unternehmerinnen sein. Und auf der anderen Seite sollen Männer in Pflegeberufe und in die Hausarbeit. Aus der »Gender«-Perspektive, um in moderner Terminologie zu reden, wäre das Problem damit gelöst. Aber ich frage mich: Was wäre eigentlich gewonnen, wenn die Hälfte der gut bezahlten Jobs von Frauen gemacht würden und die Hälfte der schlecht oder gar nicht bezahlten Fürsorgearbeit von Männern? Wenn es also zwar nach wie vor die sozialen Hierarchien gäbe, die aus den ehemaligen Geschlechterdiskursen und der Unterordnung der Frauen heraus entstanden sind, nur dass jetzt aber reale Frauen und Männer gleichmäßig auf beiden Seiten vertreten sind? Ich kann nicht sehen, was das bringen soll.
Früher konnte man argumentieren, dass eine Besserstellung der Frauen automatisch eine Besserstellung der Männer oder anderer Benachteiligter bringt, also die Gesellschaft insgesamt besser macht. Heute nicht mehr: Beispiel Erziehungsgeld, Migrantinnen, die putzen. Am Beginn der Gleichstellungsbewegung waren doch viele der Überzeugung, dass allein die Präsenz von Frauen zu Verbesserungen führen würde, zu einer gerechteren, sozialeren Welt für alle. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Woran liegt das?
Manche sagen: Weil Frauen auch nicht besser sind, als Männer. Das stimmt natürlich. Es gibt kein weibliches Gen, das dafür sorgt, dass Frauen fürsorglicher, umweltbewusster, sachorientierter, weniger auf Statussymbole ausgerichtet sind als Männer. Wenn überhaupt, dann ist es eine weibliche Kultur. Eine Kultur, die daraus entsteht, dass Frauen untereinander sich darüber verständigen, was gutes Leben ist, was sie sich für die Welt wünschen. Diese Kultur gibt es, aber sie kommt heute trotz Emanzipation noch nicht wirklich zum Zuge. Die italienische Feministin Carla Lonzi schrieb bereits 1974: »Die Gleichheit der Geschlechter ist heute das Gewand, mit dem sich die Unterordnung der Frau tarnt.« Das zeigt sich heute als wahr: Die Einbeziehung der Frauen in die Welt der Männer hat die Unterordnung des Weiblichen unter das Männliche nicht aufgehoben, es hat nur den Frauen den Zugang zum Männlichen verschafft.
Noch immer ist die Welt der Politik und vor allem der Wirtschaft weitgehend nach Regeln organisiert, die noch zu patriarchalen Zeiten entworfen wurden, also aus einer rein männlichen Perspektive. Das erklärt das trotz Emanzipation noch große Unbehagen vieler Frauen. An zu vielen Stellen klafft das, was sie sich wünschen und das, wie die Welt aussieht, zu deutlich auseinander. Zum Beispiel wünschen sich Frauen im Schnitt mehr Kinder, als sie bekommen – nach der neuen Studie immer noch 90 Prozent, aber nur 70 Prozent bekommen Kinder. Sie können sich ihre Kinderwünsche nicht erfüllen, weil unsere Gesellschaft entlang den Bedürfnissen des flexiblen Erwerbsarbeiters organisiert ist und nicht entlang den Bedürfnissen von Familien, von Müttern und Kindern.
Unter diesen Bedingungen läuft eine Emanzipation, die nicht vom Feminismus getragen ist, Gefahr, dass Frauen zwar viel Mühe darauf verwenden, gut zu funktionieren, aber nicht dazu kommen, sich mit ihrem eigenen Begehren einzubringen. Sie entwickeln nicht Visionen von einer anderen Welt, sondern passen sich den herrschenden Spielregeln an. Dafür gibt es ja längst einen richtigen Markt: Wie viele Frauen besuchen Kurse, in denen sie trainieren, genauso viel und laut zu reden wie die Männer, in denen sie sich angewöhnen, Aufgaben an untere zu delegieren, Wert zu legen auf Status und Titel, sich gut zu präsentieren, strategische Allianzen schmieden und dergleichen. Sicher, das können Frauen durchaus. Aber wollen sie es auch?
Frauen, das zeigen sehr viele Studien, auch die neue aus der Brigitte, wollen oft etwas anderes als Männer. Mehr Frauen als Männer legen Wert auf Teilzeitmöglichkeiten im Arbeitsleben, damit auch Zeit für Familie und Privatleben bleibt, auf den Sinn und die Notwendigkeit dessen, was sie tun und arbeiten, weniger interessiert sind sie an Statussymbolen und Insignien der Macht. Aber es geht auch viel konkreter: Neulich las ich von einer Umfrage, die zeigte, dass Frauen beim Kauf eines Autos großen Wert auf Umweltverträglichkeit legen, während Männern eher die PS-Zahl wichtig ist.
Wäre es nicht wichtig, diese weibliche Kultur stärker zum Zuge kommen zu lassen? Und zwar nicht um alte Weiblichkeitsklischees zu pflegen, sondern um Wäre zu überlegen, wie die ganze Welt und auch die Männer hiervon etwas lernen könnten? Denn es ist ja so, dass auch viele Männer mit dem Gang der Dinge nicht zufrieden sind und gerne etwas verändern möchten. Sie könnten sich an manchen Punkten mit vielen Frauen verbünden und von ihnen Anregungen bekommen.
Allerdings gelingt es uns noch nicht immer gut, diesen »interkulturellen Dialog« zwischen einer männlichen und einer weiblichen Kultur zu führen – wobei es auf beiden Seiten Defizite gibt. Auch die Frauenbewegung hat teilweise zu diesen Verständigungsproblemen beigetragen, indem sie ihre Kritik an einer männlichen Ordnung allzu oft kurzerhand auf »die Männer« übertragen hat und diese pauschal angegriffen hat. Auch hier, so meine ich, ist aber die Emanzipation ein guter Ausgangspunkt, um weiterzukommen, weil Frauen heute nicht mehr prinzipiell aus einer benachteiligten Position heraus sprechen müssen.
Wie bei jedem interkulturellen Austausch ist es aber auch beim Gespräch zwischen Männern und Frauen wichtig, dass wir die eigene kulturelle Identität nicht auf Klischees aufbauen. So wenig wie es »den Islam« oder »das Christentum« gibt, so wenig gibt es »die Frauen« oder »die Männer«. Das Begehren einer Frau, das der Feminismus in die Welt bringen will, ist immer ein individuelles Begehren. Das heißt konkret: Frauen wollen nicht nur etwas anderes als Männer, sie wollen auch etwas anderes als andere Frauen. Ein »Wir« der Frauen gibt es nicht. Sondern es ist gerade die Differenz unter Frauen, ihre Unterschiedlichkeit die Quelle gesellschaftlichen Reichtums. Dies zu denken müssen wir weithin erst noch lernen. In der aktuellen Demografiedebatte zum Beispiel wird viel darüber geredet, was »die« Frauen machen und wollen oder sollen – berufstätig sein, aber trotzdem zwei Kinder haben und sich außerdem noch sozial engagieren. Eine gute Gesellschaft ist aber keine, in der alle Frauen dasselbe machen. Sondern eine, in der jede Frau macht, was sie selbst wirklich will: Mit oder ohne Mann leben, kinderlos sein oder eins, zwei, drei, vier oder fünf Kinder haben, Teilzeit arbeiten oder Vollzeit, eine Karriere anstreben oder lieber auf einer mittleren Ebene bleiben, um Zeit fürs Ehrenamt oder auch für politisches Engagement zu haben. Und sie alle zusammen, mit den Konflikten, die sie untereinander haben darüber, wie eine gute Welt aussehen soll, werden Ideen und Lösungen für alle hervorbringen, ohne alle auf einen Nenner zu bringen.
Freie Frauen werden auf je individuelle Weise aktiv, um die Welt nach ihren Wünschen und Bedürfnissen neu zu gestalten und zu verändern. Maßstab ist dabei das weibliche Begehren nach einer Welt, in der alle Menschen in Würde und Freiheit und Sicherheit leben können. Das bedeutet Feminismus. Er geht nicht nur darum, dass Frauen in gleichberechtigt sein sollen, sondern es ist eine positive Vision, warum und wie Frauen in der Welt tätig sind.
Denn die Freiheit der Frauen ist ja heute nicht mehr nur das Anliegen von Feministinnen. Auch die Wirtschaft hat sich diese Freiheit inzwischen auf die Fahnen geschrieben, wenn auch nicht aus uneigennützigen Gründen: Sie braucht qualifizierte Arbeitskräfte und hat heute, in globalen, flexiblen Zeiten keinerlei Interesse daran mehr, einen mittelmäßigen Angestellten, nur weil er ein Mann ist, seiner besser qualifizierten und besser motivierten weiblichen Kollegin vorzuziehen. Von daher mache ich mir um die Zukunft gut ausgebildeter Frauen überhaupt keine Sorgen: Schon bald wird es für ihre Kinder genügend Krippenplätze geben und sie wird von den Unternehmen umworben.
Die für mich interessantere Frage ist nicht, ob diese Frau da hin kommt und wie viel sie verdient, sondern was sie dann da macht, im Chefsessel einer Managerin. Wird es ihr gelingen, ihren beruflichen Weg zu gehen und dabei trotzdem ihrem eigenen Begehren, ihrer persönlichen Vision vom Leben treu zu bleiben? Oder wird sie einfach nur funktionieren, wie die Strukturen es ihr vorgeben? Wird sie ihre eigenen, persönlichen Ideen und Anliegen einbringen, oder wird sie nur tun was man von ihr verlangt? Frei ist eine Frau, die ihre Emanzipation als Ausgangspunkt dazu nimmt, nicht einfach nur die vorgegebenen Regeln und Standards zu übernehmen und zu akzeptieren, sondern die ihr eigenes Begehren ernst nimmt und es in die Welt einknüpft. Dies wird unweigerlich Konflikte mit sich bringen, mit Männern und mit anderen Frauen. Die innere Freiheit, das Selbstbewusstsein und den Mut, das zu tun, kann keine Gleichstellung, kein Gesetz, keine Frauenbeauftragte ihr geben.
Aber woher kann diese weibliche Freiheit dann kommen? Meiner Meinung nach hängt sie davon ab, welches Verhältnis eine zu anderen Frauen und zu ihrem eigenen Frausein hat. Tauscht sie sich bewusst mit anderen Frauen darüber aus, wie die Welt sein soll? Oder versteht sich als geschlechtsneutrales Wesen, das nur zufällig einen Rock trägt? Hat sie schon einmal darüber nachgedacht, was die Strukturen unserer Unternehmen, Parlamente und Vereine mit Männlichkeit zu tun haben, oder hält sie sie so, wie sie sind für gottgegeben und natürlich? Was ist das überhaupt, eine Frau?
Neuerdings wird diese Frage ja wieder gerne an Biologen oder Hirnforscher delegiert. Ihre teils abstrusen, teils durchaus interessanten Thesen über wissenschaftlich nachweisbare Unterschiede der Geschlechter haben für viele eine große Faszination, und zwar erstaunlicherweise gerade für die so gleichberechtigten Töchtern der Emanzipation, obwohl die doch längst bewiesen haben, dass diese Unterschiede der Geschlechter ganz überwiegend kulturell erzeugt sind.
Mir als Feministin geht es darum, eine freie Bedeutung des Frauseins zu finden. »Die Vernunft ist nicht auf der Suche nach Wahrheit, sondern nach Sinn« hat Hannah Arendt das Wesen des Denkens beschrieben und festgestellt, dass Wahrheit und Sinn nicht dasselbe sind. Wenn wir über das Frausein nachdenken, dann geht es nicht um »Beweise« dessen, was die Wissenschaft über Frauen herausfindet, sondern welchen Sinn es für uns hat, von Frauen und von einer weiblichen Kultur zu sprechen. Frauen gibt es überall. Aber welches ihre Rolle in der Gesellschaft ist, das ist von Zeitalter zu Zeitalter, von Kultur zu Kultur ja verschieden. Der Sinn des Frauseins ist nichts, was wir den Hirnforschern oder den Evolutionsbiologen überlassen sollten, sondern wir selbst müssen diesen Sinn finden und in die Welt bringen. Als Feministin wünsche ich mir, dass mein Frausein nichts ist, was mich auf Klischees oder bestimmte Geschlechtsrollen festlegt, sondern etwas, das auf meiner Freiheit als politisch handelndes Subjekt gründet.
Was also kommt nach der Gleichstellung? Was ich mir für die Zukunft wünsche ist, dass das Frausein kein Tabu mehr ist, sondern in den großen öffentlichen Debatten vorkommt. Aber nicht als Klischee, sondern als Ausdruck weiblicher Pluralität und Verschiedenheit. Dass in Fernsehtalkshows nicht mehr nur einzelne Frauen sitzen, die in einer Männerrunde eine so genannte »weibliche Sicht« repräsentieren sollen, sondern viele verschiedene Frauen mit unterschiedlichen Meinungen. Ich wünsche mir, dass Männer nicht versuchen, so genannte weibliche Eigenschaften an sich zu entdecken, sondern dass sie das Gespräch und den Austausch mit realen Frauen aus Fleisch und Blut suchen – und dann vielleicht dafür sorgen, dass aus so mancher sinnvollen »weiblichen« Tugend auch eine männliche Tugend wird. Ich wünsche mir, dass wir aufhören, Frauenpolitik zu treiben und stattdessen anfangen, die Politik der Frauen ernst zu nehmen. Ich wünsche mir Frauenreferate und Gleichstellungsstellen, die sich nicht nur darum bemühen, Frauen den Zugang zu Männerdomainen zu ebnen, sondern auch das Begehren der Frauen im Blick behalten, das eben noch mehr will als gleichgestellt sein.
Ich wünsche mir, und damit komme ich zum Schluss, eine Welt, in der es wichtig ist, die Unterschiede zwischen Frauen zu thematisieren und darüber nachzudenken. Eine Welt, in der Frauen nicht stellvertretend für andere Frauen sprechen, sondern in ihrem eigenen Namen. Damit eine weibliche Kultur sichtbar und einflussreich wird. Aus der weiblichen Differenz, aus den Unterschieden unter Frauen und den Diskussionen und Konflikten, die daraus folgen, können nämlich neue Ideen und Wege entstehen, die über das Gegebene hinausweisen und für alle, Männer und Frauen, hilfreich sind. Und das wäre gerade heute wichtig, wo unsere Gesellschaft neue Ideen und Wege doch so dringend nötig hat .