Wer sind eigentlich die Sikhs?
1999 wurden 300 Jahre Khalsa Sikh gefeiert
Das Wesentliche ist erstmal der Glaube an Gott, die Hingabe an Gott, Brüderlichkeit und wir sehen also, die meisten Sikhs sehen sich als Beschützer für sich selbst und für andere. Wir sind gegen Unterdrückung, das ist auch ein Grundsatz unserer Religion, also wir dürfen niemanden unterdrücken, weder Frauen, noch Kinder, noch irgendwelche ethnischen Gruppen, also egal welcher Religion, man sitzt zusammen, man unterhält sich, aber natürlich müssen die Leute, die zu uns kommen, auch unsere Regeln akzeptieren, zum Beispiel Schuhe ausziehen, Kopfbedeckung tragen, wenn man in den Tempel geht, und sich Hände vorher waschen.
Bereitwillig erklärt der siebzehnjährige Norris die Grundsätze der Sikh-Religion. Stolz trägt er seinen Turban, das Erkennungszeichen dieser aus Indien stammenden Glaubensgemeinschaft. Mehrere tausend Sikhs aus ganz Deutschland haben in Frankfurt das 300jährige Bestehen ihrer Khalsa gefeiert. Diese religiöse »Gemeinschaft der Reinen« wurde im April 1699 von Guru Gobind gegründet, der dabei für die Sikhs verbindliche Regeln ausgab, nach denen sich die Mehrzahl der Gläubigen auch heute noch richtet. Die bekannteste davon: Als Zeichen für ihre Religionszugehörigkeit dürfen sie ihre Haare nicht abschneiden, weshalb vor allem die Männer sie immer unter großen Turbanen verstecken.
Viele aus Indien eingewanderte Sikhs haben ihre Religion mit nach Deutschland gebracht. Schätzungsweise 12.000 Sikhs leben inzwischen hier, rund 5000 allein im Rhein-Main-Gebiet. Das Jubiläum, so der Vorsitzende der Frankfurter Sikh-Gemeinde Balkar Singh, wolle man auch nutzen, um den eigenen Glauben hier bekannter zu machen.
Viele von unseren Sikhs sind mit deutschen Frauen verheiratet, und manche können nicht richtig antworten oder haben Sprachschwierigkeiten, und deshalb haben wir gedacht, können alle dieDeutschen, die unsere Religion kennenlernen möchten, herkommen, wir wollen vorstellen, was die Sikhs überhaupt sind zu. Weil wenn wir manchmal auf der Straße laufen, die sagen zu uns, hallo, Aladin, wie geht’s dir, da können wir nicht auf der Straße sagen, ich bin nicht Aladin, ne, deshalb haben wir die Werbung gemacht, daß die Leute kommen und wissen, wir sind nicht Aladin, wir sind eine ganz andere Religion.
Der Gründer des Sikhismus, Guru Nanak, wollte am Anfang des 16. Jahrhunderts eine Synthese aus Hinduismus und Islam schaffen, inzwischen hat sich daraus aber eine völlig eigenständige Religion entwickelt. In Abgrenzung zum Hinduismus glauben die Sikhs nur an einen Gott, und sie lehnen das Kastenwesen strikt ab. Um zu verhindern, daß man am Namen die Herkunft eines Menschen erkennen kann, heißen zum Beispiel alle männlichen Sikhs mit Nachnamen Singh, das heißt Löwe, alle weiblichen Kaur, Prinzessin. Auch das gemeinsame Essen und die gemeinsame körperliche Arbeit am Tempel sollen deutlich machen, daß soziale Unterschiede für die Sikhs keine Bedeutung haben sollen.
Eine echte Besonderheit der Sikh-Religion ist ihr fast schon kriegerischer Habitus. Nicht Sanftmut und Nachgiebigkeit, sondern Mut und Opferbereitschaft zählen hier als religiöse Tugenden, wenn auch nur zu Verteidigungszwecken. In der Tat war die Gemeinschaft der Reinen, die Guru Gobind vor 300 Jahren gründete, eigentlich so etwas wie ein Kampfverband gegen die muslimischen Mogulenheere, die damals Indien mit Gewalt islamisieren wollten. So soll jeder gläubige Sikh nicht nur immer einen Kamm dabeihaben – er steht für Disziplin und Ordnung – sowie einen eisernen Armreif als Zeichen der Solidarität, sondern er soll auch bequeme Baumwollhosen tragen, die Bewegungsfreiheit garantieren, und immer ein Schwert mit sich führen, das allerdings heute meist auf eine symbolische Größe zusammengeschrumpft ist. Gemeindevorstand Balkar Singh:
Also diese Spezialkleidung, die müssen wir nicht unbedingt tragen, weil heute ist unser heiliges Fest, und deshalb haben viele Leute sowas angehabt. Meistens trag ich auch nicht sowas, ich trage auch eine Hose und eine Krawatte und mache auch meinen Bart ein bißchen fest, also wie die anderen auch.
Weltweit hat der Sikhismus heute etwa zwanzig Millionen Anhängerinnen und Anhänger, in Indien stellen sie knapp zwei Prozent der Bevölkerung. Dort ist das Jubiläumsfest allerdings von internen Machtkämpfen überschattet, und in der Provinz Punjab gibt es immer noch hin und wieder Unruhen zwischen nach Unabhängigkeit strebenden Sikhs und der indischen Regierung. Doch im allgemeinen haben die Sikhs einen guten Ruf. Sie gelten als geschäftstüchtig, arbeitsam und verläßlich – und das sind ja Tugenden, die auch hier in Deutschland geschätzt werden.
Radiosendung in hr1, April 1999