Martin Rothe: Genug gejammert! Plöger, 176 Seiten, 14,80 €
„Vielstimmig“ ist ein Adjektiv, das dem Protestantismus gerne zugeordnet wird, und zu Recht, wie dieses Buch zeigt. Für sein Projekt, Ideen zur Zukunft der Kirche auszuloten, hat Martin Rothe ein breites Spektrum befragt: Alte und Junge, Frauen und Männer, Gemeindeleute und Übergemeindliche, Spirituelle und Intellektuelle, aus Westdeutschland und Ostdeutschland, auf die Ökumene und aufs Lokale Ausgerichtete, mit großen Visionen und mit anpackendem Pragmatismus.
Eine einheitliche Antwort auf die Frage, wie die evangelische Kirche in Deutschland ihren gegenwärtigen Herausforderungen begegnen soll – den schrumpfenden Mitgliederzahlen, dem enger werdenden finanziellen Spielraum, ihrer soziologischen Milieuverengung und dem zunehmenden Säkularismus – wird man dementsprechend hier nicht finden. Ursprünglich sind die jeweils recht kurzen Interviews als Serie auf der Internetplattform evangelisch.de erschienen. Jedes für sich bietet nachdenkenswerte Perspektiven. Wenn man sie aber in einem Buch hintereinander liest, fällt ihre Uneinheitlichkeit, ja Widersprüchlichkeit ins Auge.
Die Gemeinden in der Fläche stärken oder inhaltliche Zentren gründen? Die Kerngemeinde stabilisieren oder Distanzierte und Außenstehende ansprechen? Kirchengebäude erhalten oder aufgeben? Mehr sozialdiakonisches Engagement oder mehr Spiritualität und Gottesdienst? Theologische Glaubensinhalte in eine säkulare Sprache übersetzen oder die Kraft der liturgischen Sprache nutzen?
Für jedes Für und Wider finden sich in diesem Buch gute Argumente. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie nicht nur in gewohnter „Vielstimmigkeit“ nebeneinander zu stellen, sondern genauer herauszuarbeiten, wo die Differenzen liegen.
in: Publik Forum Nr. 15/2015, 16.8.15