Antje Schrupp im Netz

Ilona Nord: Individualität, Geschlechterverhältnis und Liebe. Partnerschaft und ihre Lebensformen in der pluralen Gesellschaft. Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus. 432 Seiten. 44.95 EUR

Es werden wieder Bücher über die Liebe geschrieben. Ein Grund dafür ist wohl, dass es – vor allem durch den Erfolg der Frauenbewegung – inzwischen weitgehend selbstverständlich ist, dass Frauen wie Männer eine breite Palette möglicher Lebensformen zur Auswahl haben: Sie können allein leben oder als Paar, in einer homo- oder einer heterosexuellen Beziehung, und das alles zeitweise oder dauerhaft. Welchen Stellenwert hat in einer »Beziehung« die eigene Individualität? Ist Liebe Selbstaufgabe oder Selbstverwirklichung? Und welche Rolle spielt es dabei, eine Frau oder ein Mann zu sein? Solche Fragen müssen sich Menschen heute fast schon alltäglich beantworten. Es sind existenzielle Fragen, auf die die Kirchen jedoch immer noch eher altbackene Antworten geben, wie die sich windenden Stellungnahmen zum Thema Homosexualität zum Beispiel zeigen. Auch die wissenschaftliche Theologie wagt sich an solche Fragen bisher kaum heran. Ilona Nord macht mit diesem Buch jedoch einen Anfang. Aus einer Diskussion der Ansätze von Georg Simmel und Paul Tillich vom Anfang des 20. Jahrhunderts sowie der heutigen Beiträge von Anthony Giddens und Andrea Maihofer zum Thema entwickelt sie neun Thesen für eine christliche Sozialethik – sehr informativ und klug, allerdings auf hohem sprachlichen und denkerischen Niveau, sodass die Lektüre für akademisch Ungeübte mühsam sein dürfte.


aus: Publik Forum, Nr. 23/2002