Katharina Martin: Bis das Geld euch scheidet. Finanzielle Gewalt in Beziehungen. Orlanda, Berlin 2005, 203 Seiten, 15,50 Euro.
Wie Männer ihre Ehefrauen betrügen
Geld und Liebe – das sind zwei Dinge, die sich für viele Frauen nicht gut miteinander vertragen. Für Männer aber offenbar schon. Die vielen Beispiele dafür, mit welcher Selbstverständlichkeit manche Männer ihre Ehefrauen regelrecht betrügen, die Katharina Martin in diesem Buch zusammen getragen hat, raubt der Leserin geradezu den Atem: Da werden Frauen, die Kinder erziehen und daher auf ein eigenes Einkommen verzichten, mit lächerlichen »Haushaltsgeldern« abgespeist, während der dazugehörige Vater »sein« Geld ohne Absprache in Autos, Immobilien und Lebensversicherungen (für sich selbst) investiert. Da sollen Ehefrauen Kreditanträge und Bürgschaften mal eben am Küchentisch unterschreiben, oft ohne Bedenkzeit und eigenes Rechtsgutachten: »Vertraust du mir etwa nicht?« So werden Einwände und mulmige Gefühle einfach beiseite geschoben. Und zunehmend scheinen Männer zu einer Heirat ohnehin nur noch bereit zu sein, wenn die Gattin in spe vorab auf Zugewinnausgleich, Unterhalt und überhaupt jeden finanziellen Anspruch verzichtet. Denn ist sie nicht schließlich emanzipiert? So wird perfide gefragt, nicht nur von den Männern, sondern zunehmend auch von Richterinnen und Anwältinnen. Denn welche moderne Frau von heute will wirklich noch finanziell von ihrem Mann abhängig sein?
In der Tat hatten auch Teile der Frauenbewegung nur einen Ratschlag für Ehefrauen, sich aus der finanziellen Abhängigkeit ihrer Männer zu befreien: Eigenes Geld zu verdienen. Katharina Martin weist zurecht darauf hin, dass dies einen realistischen Blick auf Familien- und Generationenverhältnisse und die in ihnen geleistete Arbeit verstellt. Nicht finanzielle Abhängigkeit als solche ist das Problem – denn an und für sich spricht nichts dagegen, wenn Eheleute die familiären Aufgaben untereinander aufteilen. Dass Erwerbs-, Haushalts- und Kindererziehungsarbeit prozentgenau gleich unter beiden verteilt werden müssen, ist pure Ideologie und ohnehin eine Schimäre (weil viele Männer letzteres offenbar nicht gerne erledigen). Angesichts des Endes der Erwerbsarbeitsgesellschaft ist so ein Modell auch gar nicht mehr in jedem Fall praktikabel und wünschenswert.
Das Problem, so Martin, sei nicht die finanzielle Abhängigkeit als solche, sondern der Missbrauch dieser Abhängigkeit. In der Tat eine wichtige Unterscheidung. Unterstützt durch eine patriarchale Familientradition und unklare gesetzliche Regelungen glauben nämlich viele Männer, ihr Erwerbsarbeitseinkommen gehöre ganz allein ihnen – auch in einer Ehe, auch wenn Kinder da sind und ihre Frau deshalb zuhause bleibt oder nur noch Teilzeit arbeitet. Und sie geben dann mehr oder weniger großzügig den anderen Familienangehörigen, Kindern und Ehefrau, davon etwas ab. Oft nur auf Bitten und Nachfragen, und dann auch nur so viel, wie sie für richtig halten.
Dies ist aber eine völlige Fehlinterpretation dessen, was Familie bedeutet. Wenn die Ehefrau zugunsten der Familie nicht erwerbstätig ist, sondern mit ihrer Familienarbeit zum gemeinsamen Wohlstand und Wohlbehagen beiträgt, dann hat sie eigentlich einen Anspruch auf die Hälfte dieses Geldeinkommens. Idealerweise dürften sich solche Fragen auch gar nicht stellen, denn es müsste klar sein, dass alles allen gemeinsam gehört. Denn das, so stellt Katharina Martin fest, ist die Definition der Familie als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft: Dass das Vermögen gemeinsam verwaltet wird. So gesehen sind zahlreiche Ehen, die auf dem Papier geschlossen werden, in Wirklichkeit gar keine. Nämlich dann nicht, wenn Männer selbstherrlich darauf beharren, dass das Geld, das sie verdienen, nach wie vor eigentlich ihnen alleine gehört.
Wird ein Auto gekauft? Wieviel Geld wird für den Urlaub ausgegeben? Wieviel Geld hat jedes Familienmitglied zur freien Verfügung? Sollen wir Aktien kaufen oder lieber eine Lebensversicherung abschließen? Wie regeln wir die Altersvorsorge? Jede Ehefrau, ob sie selbst Geld verdient oder nicht, muss hier in gleichem Maße mitzureden haben, wie der so genannte »Familienernährer«. Die Realität sieht freilich anders aus. Allzu häufig stellen Männer gerade mal das, was sie durch den Splittingvorteil an Steuern sparen, ihren Frauen zur Verfügung. Viele Ehefrauen arbeiten Teilzeit auf Steuerklasse fünf – dabei bleibt von ihrem Einkommen kaum noch etwas übrig. Und zu aller Schande gilt auch noch: Je besser der Mann verdient, desto schlimmer ist es oft. Selten liegen dabei die Karten so offen auf dem Tisch. Sie brauche sich doch um diese Gelddinge nicht zu kümmern, da verstehe sie sowieso nichts davon, sie soll doch einfach das Vertrauen haben, dass er auch in ihrem Interesse handelt. Das mag auch in vielen Fällen funktionieren. Verlassen sollte sich darauf aber keine Frau. Wenn er es wirklich ehrlich meint, wird er nichts dagegen haben, ihr Einblick in seine Finanzen zu geben.
In einer Liebesbeziehung über Geld zu verhandeln, ist immer noch ein Tabu. Viele Frauen scheuen sich, hier eindeutige und klare Forderungen zu stellen und es fällt ihnen schwer, dem moralischen Druck standzuhalten, wenn ihre berechtigten Ansprüche als kleinkariert abgetan werden. Sie selbst möchten es hierüber lieber nicht zu einem Konflikt kommen lassen, mit teilweise gravierenden Folgen für sich selbst – und für die Kinder. Sittenwidrige Bürgschaften – die oft unter Mitwirkung oder Wegschauen von Banken und Anwälten zustande kommen und Frauen nach einer Trennung mit einem Schuldenberg dastehen lassen, der gar nicht ihr eigener ist – sind da nur die Spitze des Eisberges. Immerhin in dieser Hinsicht gibt es seit einigen Jahren erste Gerichtsurteile, die diesem Betrug von Ehemännern an ihren Frauen erste Riegel vorschieben.
Doch zu einer solchen juristischen Klärung kommt es meistens erst, wenn die Ehe gescheitert ist. Gegen die demütigen Gesten vermeintlicher »Großzügigkeit«, das mulmige Gefühl beim Unterschreiben von Verträgen, die ihr niemand richtig erklärt hat, das Knapsen und Sparen bei der Haushaltsführung während gleichzeitig das schicke Auto gekauft wird, helfen solche nachehelichen Prozesse wenig. Viele Frauen wissen gar nicht einmal, wieviel Geld ihr Mann eigentlich verdient und wieviel Familienvermögen da ist. Wichtig ist es deshalb, schon am Anfang der Familiengründung auch auf finanzielle Klarheit und Gerechtigkeit zu pochen. Eine Kontovollmacht ist das mindeste. Bei Immobilienkäufen sollten Frauen darauf bestehen, dass sie im Grundbuch eingetragen sind. Gütertrennung sollten sie nur nach einer eigenständigen rechtlichen Beratung vereinbaren. Und es gibt überhaupt keinen Grund, auf Zugewinn- und Versorgungsausgleich oder gar auf Unterhaltsansprüche zu verzichten, schon gar nicht dann, wenn Kinder geplant sind.
In Zeiten, in denen allenthalben wieder ein Loblied auf die Familie gesungen wird und – angesichts eines immer brutaler werdenden Erwerbsarbeitsmarktes – die Zuflucht zu Heim und Herd und Kindern auch für viele Frauen wieder attraktiv zu sein scheint, ist dieses Buch allen Frauen dringend zu empfehlen, die diesen Weg für sich ins Auge fassen.
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