Antje Schrupp im Netz

Pinkifizierung – bitte auch für Jungs!

in: Marktkorb (Fulda), 9.3.2014

Noch nie waren Jungen und Mädchen so leicht auf einen Blick zu unterscheiden wie heute: Die, die Pink tragen, sind die Mädchen. Die, die auf keinen Fall Pink tragen, sind die Jungen.

Viele Eltern sind längst genervt davon, wie klischeehaft die Werbung ihre Produkte aufteilt in „Mädchensachen“ und „Jungssachen“. Ferrero zum Beispiel hat ein „pinkes Überraschungsei“ auf den Markt gebracht, speziell für Mädchen. Auch Lego hat inzwischen Sets für Mädchen im Sortiment, und natürlich sind auch sie an der Signalfarbe Pink zu erkennen.

So werden Geschlechterrollen von klein auf eingeübt – Kochzeug und Elfen für die Mädchen, Baukräne und Kampfjets für die Jungen. Und das, obwohl Deutschland seit fast neun Jahren von einer Frau regiert wird!

Tatsächlich wäre es aber zu kurz geschlossen, in der Pinkifizierung einfach eine Rückkehr in die altbackenen Fünfzigerjahre zu sehen. Vielmehr ist sie bereits eine Reaktion auf die großen Veränderungen im Geschlechterverhältnis, auf Emanzipation und Gleichberechtigung.

Nehmen wir zum Beispiel das „pinke Überraschungsei“: Genau betrachtet ist es weniger eine Einschränkung für Mädchen als vielmehr ein Stoppschild für Jungen. Das pinke Signal sagt ihnen: Halt, hier ist Mädchenkram drin, das ist nichts für dich.

Mädchen hingegen haben sich längst die Domänen der Jungs erobert. Sie können Hosen oder Röcke tragen, sie können sich Schleifchen ins Haar flechten und gleichzeitig im Matsch toben. Für Jungs hingegen sind Röcke und Schleifchen noch tabu. Niemand schaut heute noch ein Mädchen schräg an, das mit einem Bagger spielt – aber wehe, ein Junge vergnügt sich mit Barbies oder Spielzeugküchen!

Die Pinkifizierung erlaubt es den Mädchen von heute, ihre Weiblichkeit herauszustreichen, ohne dabei auf Wesentliches verzichten zu müssen. In den USA gibt es Barbie längst auch in Varianten wie „Präsidentin“ oder „Astronautin“. Wer sagt, dass Mädchen das nicht können? Eben!

Das war in den 1980er Jahren noch ganz anders. Damals mussten Mädchen und Frauen sich „männliche“ Verhaltensweisen zulegen, um Astronautin oder Präsidentin zu werden. Frauen, die im Beruf Karriere machen wollten, blieb oft gar nichts übrig, als die Rituale, Kleidungsstile und Gewohnheiten der Männer zu imitieren. „Benimm dich nicht so mädchenhaft!“ war damals ein gut gemeinter Rat.

Damit ist es heute vorbei – und das ist der positive Aspekt an der Pinkifizierung. Das männliche Geschlecht ist nicht mehr die Norm, und kein Mädchen muss auf Schleifchen und Glitzer verzichten, wenn es im Kindergarten oder in der Schule den Ton angeben will.

Was jetzt noch zu tun bleibt, ist, auch den Jungs mehr Optionen zu öffnen. Warum sollen sie sich nicht ebenfalls die schöne Welt des Glitzerns und der Schleifchen erobern? Auch sie haben ja vielleicht Lust, ein rosa Kleid zu tragen, sich die Fingernägel zu lackieren oder mit Kochtöpfen und Barbies zu spielen!

Es ist ihnen zu wünschen, dass die Erwachsenen in ihrem Umfeld sie bei solchen Ausflügen ins „Mädchenland“ bestärken und nicht mit dummen Sprüchen kommen wie „Ein Junge macht sowas nicht“. Denn: Selbstverständlich macht ein emanzipierter Junge sowas!