Antje Schrupp im Netz

Michel, Louise

französische Anarchistin

* 20.5.1830 Vroncourt, Frankreich

† 10.1.1905 Marseille, Frankreich

Louise Michel war eine Symbolfigur der Pariser Kommune von 1871 und eine der bekanntesten Vordenkerinnen des Anarchismus.

Leben:

Louise Michel war die uneheliche Tochter des Hausmädchens Marianne Michel mit dem Sohn des örtlichen Bürgermeisters. Sie wuchs relativ behütet im Haus ihres Großvaters väterlicherseits auf und wurde zunächst Lehrerin. Ende der 1850er Jahre ging sie nach Paris, wo sie weiter als Lehrerin arbeitete. Aus Protest gegen den starken Einfluss der katholischen Kirche auf das französische Schulwesen gründete sie eigene Schulen. Sie politisierte sich, engagierte sich in verschiedenen politischen Clubs für eine sozialistische Republik. Von März bis Mai 1871 war Michel eine der wichtigsten Aktivistinnen in der Pariser Kommune, die als erstes sozialistisches Regierungsexperiment gelten kann. Nach der brutalen Niederschlagung der Kommune wurde Michel festgenommen und nach Neu-Kaledonien deportiert. Aus den Erfahrungen mit den teilweise anti-freiheitlichen Tendenzen der Kommune-Regierung zog sie den Schluss, dass jede Form der Herrschaft, selbst bei besten Absichten, letztlich in Gewalt und Diktatur abgleitet, und wurde Anarchistin. Nach der Amnestie 1880 konnte Michel nach Frankreich zurückkehren und wurde eine gefragte revolutionär-anarchistische Rednerin, bis sie wegen ihrer Aktivitäten erneut für drei Jahre ins Gefängnis kam. Sie lehnte, getreu ihren anarchistischen Prinzipien, jede anwaltliche Verteidigung und auch eine mögliche Begnadigung ab. Sobald sie freigelassen wurde, nahm sie ihre Vortragstätigkeit wieder auf. 1888 wurde sie in Le Havre bei einem Attentat schwer verletzt, doch sie weigerte sich, den Attentäter polizeilich verfolgen zu lassen. 1890 wanderte Michel nach London aus, von wo aus sie Kontakte zur internationalen anarchistischen Bewegung knüpfte. Bis an ihr Lebensende war sie als Vortragsrednerin in England, Belgien und Frankreich unterwegs. Bei ihrer Beerdigung sollen ihr 100 000 Trauernde die letzte Ehre erwiesen haben.

Werk:

Louise Michel hat keine großen theoretischen Werke hinterlassen, sondern neben ihren Memoiren (1886) vor allem Prosa und Gedichte geschrieben. In Erinnerung ist sie vor allem für ihren Mut, ihre Standfestigkeit und Entschlossenheit, ihre politischen Ideale auch persönlich zu leben. Für viele Frauen im Anarchismus wurde sie zum Vorbild, weil sie sich nicht auf eine weibliche »Rolle« festlegen ließ – so kämpfte sie während der Pariser Kommune in Männeruniform an vorderster Front und blieb ihr Leben lang unverheiratet.

Zitat: »Wissen wir denn, ob das, was uns heute utopisch erscheint, in der nächsten, übernächsten Epoche nicht schon Realität sein kann?« (Louise Michel)


in: Harenberg-Lexikon. Das Buch der 1000 Frauen, Meyers Lexikonverlag 2004.