Barbara Sichtermann, Andrea Kaiser: Frauen sehen besser aus. Frauen und Fernsehen. Verlag Antje Kunstmann, München 2005, 18,90 Euro.
Klaudia Brunst: »Je später der Abend … Über Talkshows, Stars und uns«, Herder Spektrum, Freiburg 2005, 7 Euro.
Frauen im Fernsehen
Ende des 19. Jahrhunderts schildert Henry James in seinem Roman über die frauenrechtlerischen »Damen in Boston« eindrücklich, was einer Frau im Patriarchat nicht verziehen werden konnte: Dass sie auf eine öffentliche Bühne tritt und dort zu Menschenmassen spricht. Gerade noch rechtzeitig gelingt es dem Protagonisten in einem dramatischen Show-down, seine Angebetete von diesem Vorhaben abzuhalten – andernfalls hätte er sie nämlich nicht heiraten können. Ihre radikalen Ansichten hingegen stellten für ihn kein Problem dar. Solange sie damit nur in privatem Kreise glänzte.
Tempi passati. Eine der wesentlichen Veränderungen, die der Feminismus und die Emanzipation den Frauen gebracht haben, ist ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Frauen ist es heute nicht nur erlaubt, sie werden sogar dezidiert dazu eingeladen, sich auf der Bühne der Öffentlichkeit zu präsentieren, und das heißt vor allem: im Fernsehen. Was diese Einladung bedeutet, welcher Preis dafür zu bezahlen ist und wo die Grenzen dessen liegen, was öffentliche Sichtbarkeit in Zeiten der Massenmedien bewirken kann, damit beschäftigen sich zwei neue Bücher.
Barbara Sichtermann und Andrea Kaiser gehen der Frage nach, wie Frauen im Fernsehen heute erscheinen und welche Rollen man ihnen zuschreibt: als Showmasterinnen und Fernsehmütter, Kommissarinnen und Supergirls, in Sitcoms, Realityshows und Soaps. Sie befragten Redakteurinnen, Regisseurinnen, Moderatorinnen und Schauspielerinnen danach, was sie eigentlich im Fernsehen wollen und was sie dort bewirken können. Herausgekommen ist ein gut zu lesendes Buch, das sich pauschalen Urteilen widersetzt und stattdessen differenziert und detailliert darstellt, was ist. Eine Zwischenbilanz, die Problemzonen aufzeigt, aber durchaus auch belegt, dass heute viel mehr möglich ist als früher. Fazit: »Die Frau im Fernsehen ist in Bewegung, oft sogar in Eile. Sie hat viel aufzuholen. Dabei probiert sie vor den Augen ihres Publikums alle Posen, Rollen, Gesichter und Identitäten. Und sieht dabei immer besser aus.«
Keine Frage, mit Diskriminierung allein ist es heute nicht mehr zu erklären, dass Frauen im Fernsehen so wenig bewirken. Das Phänomen scheint vielmehr eine Beobachtung der Philosophin Luisa Muraro zu bestätigen, das Paradox nämlich »einer politischen Kultur, die, indem sie die Präsenz und den Protagonismus von Frauen vorantreibt, faktisch die weibliche Unfreiheit vorantreibt«.
Deshalb ist es gut, auch das Buch von Klaudia Brunst zu lesen. Sie untersucht Talkshows auf die Frage hin, wie groß die Einflussmöglichkeiten der dort beteiligten Moderator/innen und Gäste auf den (meist ja nur scheinbar spontanen) Gesprächsverlauf sind. Beziehungsweise wie klein. »Im Fernsehen ist nicht wahr, was stimmt, sondern das, was stimmig aussieht«, resümiert Brunst in ihrem unterhaltsam geschriebenen Büchlein, und liefert anhand von zahlreichen Beispielen eine Erklärung dafür, warum das Medium Fernsehen nicht mehr sein kann, als eine Widerspiegelung des Zeitgeistes. Ob nun Frauen gleichberechtigt drin sind oder nicht.