Antje Schrupp im Netz

Wellness und Esoterik

Wo »Wellness« draufsteht – da ist alles mögliche drin. Zum Beispiel im aktuellen Halbjahresprogramm des Frankfurter Rings, dem größten Esoterik-Veranstalter im Rhein-Main-Gebiet. Ob Kung-Fu in der Tradition buddhistischer Shaolin-Mönche, ob Astrologie oder Aura-Seminare – das alles wird neuerdings auch unter dem Schlagwort »Wellness« an den Mann und vor allem an die Frau gebracht. Brita Dahlberg, seit zwanzig Jahren die Vorsitzende des Vereins:

Wellness ist mehr so der Begriff der Kosmetik und für uns es schon mehr der Weg dann, der in die Tiefe geht. Aber ich muss natürlich mit den Begriffen und mit der Sprache arbeiten, die heute gebräuchlich ist.

Es sind nicht mehr so sehr die Menschen auf spiritueller Sinnsuche, die sich für Esoterik und fernöstliche Glaubenswege interessierten. Problemlösungen sind gefragt. Vor allem bei gesundheitlichen Beschwerden, aber auch bei Stress im Beruf oder Krisen in der Partnerschaft. Brita Dahlberg findet es weder verwunderlich, noch verwerflich, dass sich die Menschen mehr als früher um ihr individuelles Wohlbefinden sorgen:

Wir sind heute ja alle mehr denn je gefragt, uns um unsere Gesundheit selbst zu kümmern. Da ist einfach der Stress und die Angst, den Arbeitsplatz heute zu verlieren, all diese Dinge spielen eine viel größere Rolle und ich bin mehr gefordert, einfach mir da auch so meinen fünf Minuten Urlaub am Tag zu finden.

Neben »Spiritualität und Wellness« wirbt das Programmheft des Frankfurter Rings daher auch mit Schlagworten wie »Partnerschaft und Familie« oder »Erfüllung und Erfolg«. Dahinter verbirgt sich aber die ganz normale Palette esoterischer Angebote:

Entspannung als eins der Themen, einen Weg nach innen, also vielleicht Reisen nach Innen durch Meditation, durch Kontemplation, durch Beschäftigung auch mit mir selbst, was also über Erkenntnis zum einen geht aber zum anderen auch durchaus über Erfahrung durch den Körper, durch Bewegung, durch Atmung, durch Stille auch, das sind alles Wege, wo ich unter die Haut komme.

In diesem Halbjahr kann man lernen, Partnerschaftsprobleme durch das »Tao der Liebe« zu beheben oder mit Hilfe mystischer Gesänge die eigene Kreativität zu steigern. Wem es im Beruf an Ideen oder Flexibilität mangelt, kann die Kraft der Edelsteine zu Hilfe nehmen oder bei einem fernöstlichen Meister innere Erleuchtung und Inspiration suchen. Und sollte das alles nichts nützen, dann ist da noch der Workshop »Zauberei im Alltag«, bei dem man lernt, und das ist kein Witz, sondern ein Zitat aus der Ankündigung, sich per Magie beim Universum »Job, Wohnung, neue Freundin und den Traumurlaub« zu bestellen. Lassen sich die Probleme der Zeit also so leicht bewältigen – ein bisschen Hokuspokus genügt?

Es gibt beides. Es gibt also eine Bewegung, die ist die Wellness-Richtung, sag ich jetzt mal, die sucht erst Mal die schnelle Erleichterung, Verbesserung. Völlig legitim, ist für mich gar keine Abwertung. Und das andere ist derjenige, der über das hinaus noch tiefer in diese vielleicht regelmäßige Arbeit mit sich hinein gehen will und das als Weg der Selbsterfahrung dann auch wählt. Heute gibt es nicht mehr so eine Trennung der Szenen. Ich kann ins Fitness-Studio gehen, ich kann zur Kosmetikerin gehen, deswegen bin ich nicht ein unspiritueller Mensch. Ich kann mich für Tiefe interessieren und gleichzeitig etwas für meinen Körper tun im Sinne von Fitness-Studio, oder ne Ayurveda-Kur machen.

Menschen, die sich entspannen und wohlfühlen wollen, oder die für die kleinen und großen Probleme ihres Lebens eine schnelle und einfache Lösung suchen, die werden vom Esoterikmarkt mit offenen Armen empfangen. Auch die seriöseren Anbieter, zu denen der Frankfurter Ring zu zählen ist, profitieren vom Wellness-Trend und werben entsprechend. Zumal ja die Chance besteht, sagt Brita Dalberg, dass es letztlich nicht bei der oberflächlichen Suche bleibt:

Spätestens dann, wenn Tod oder Krise in der Partnerschaft da ist, dann kommen plötzlich neue Fragen, und dann ist das nicht mehr auf der Oberfläche, dann ist jeder Mensch im Laufe seines Lebens gefragt, sich tiefer auseinander zu setzen. Ob er’s wahrnimmt, ist noch eine andere Sache. Aber ich möchte nicht denjenigen, der sich an der Oberfläche beschäftigt, abwerten. Der ist jederzeit auch ein Mensch, der sich mit den Sinnfragen des Lebens befassen kann.


Gesendet im »Forum Leib und Seele«, hr2, am 25.9.2002