Antje Schrupp im Netz

Warum Frauen gut einparken und Männer gut zuhören können

Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind derzeit wieder schwer in Mode. Unzählige Bücher und Theorien klären uns darüber auf, dass die Geschlechter sich einfach nicht verstehen können. Die einen sind eben vom Mars und die anderen von der Venus. Das war schon in der Steinzeit so. Oder etwa nicht?

Sie wissen schon: Der Jäger mit dem Tunnelblick, immer fest das Ziel im Visier. Die Hüterin der Brut mit dem Panoramablick, die jede Gefahr wittert. Auch die Gene sind natürlich Schuld, man denke nur an das kleine verkümmerte Ypsilon. Und dann erst die verschiedenen Funktionsweisen weiblicher und männlicher Gehirne! Kurz und gut: Frauen und Männer sind grundlegend verschieden, das ist weltgeschichtlich, biologisch und evolutionsmäßig erwiesen.

Offenbar macht es gar nichts, dass all diese so genannten Beweise in Wahrheit alte Hüte sind. Herausgekramt aus der Mottenkiste des Patriarchats, wo man sie in den siebziger Jahren ganz tief unten verstaut hatte. Sie erinnern sich: Damals wurde alles aus der Sozialisation erklärt. Männer und Frauen sind eigentlich gleich, hieß es, sie werden nur durch Erziehung und Druck in ihre unterschiedlichen Rollen hineingepresst. Ideal, so glaubte man, sei eine Gesellschaft, in der es keine Frauen und Männer mehr gibt, sondern nur noch Neutren, die alles dürfen und alles können und alles machen.

Wenn heute dagegen die alten Grusligkeiten des Biologismus wieder fröhliche Urständ feiern, dann auch deshalb, weil dieses Gleichheitsmodell grandios versagt hat. Alle Gleichstellungs- und Erziehungsmaßnahmen haben schließlich nichts daran geändert, dass Frauen und Männer im wirklichen Leben nach wie vor unterschiedlich sind. Nur eines hat sich geändert: Die Frauen lassen nicht mehr zu, in der Hierarchie ganz unten eingestuft zu werden. Sie wollen mitreden, und sie reden mit. Deshalb kommen die aktuellen Unterschieds-Ratgeber auch in pseudo-feministischem Gewand daher: Natürlich sollen die biologischen Unterschiede der Geschlechter keine Hierarchien und Herrschaftsverhältnisse mehr begründen, sondern den Kontakt von Frauen und Männern »auf gleicher Augenhöhe« ermöglichen. Yin und Yang in Einklang bringen, sodass sie sich gegenseitig ergänzen. Idealerweise erkennen die Frauen auch ein paar ihrer »männlichen« Eigenschaften und die Männer auch ein paar ihrer »weiblichen«. Hört sich schön an. Ist aber trotzdem falsch.

Denn eines lassen beide Modelle vollkommen außer Acht: Dass letztlich wir selbst es sind, die entscheiden, was wir tun. Männer können zuhören. Aber manchmal tun sie es nicht. Frauen können mit Computern umgehen. Aber oft haben sie keine Lust, stundenlang vor dem Bildschirm zu hocken. Männer können auch Windeln wechseln. Aber viele drücken sich. Frauen können Politikerinnen werden. Aber nur wenige wollen das. Und das liegt weder an der Steinzeit oder an rechten und linken Gehirnhälften, noch ausschließlich an der Erziehung und Sozialisation. Sondern es ist vor allem die jeweilige Entscheidung der betreffenden Person. Sie könnte sich auch anders entscheiden. Wir sind nämlich weder vom Mars, noch von der Venus, sondern wir leben auf der Erde. Gemeinsam.

Der Unterschied der Geschlechter ist eine Tatsache. Wie dieser Unterschied aber konkret aussieht, das ist nicht festgelegt – ein Blick auf die verschiedenen Erdenkulturen und Zeitalter zeigt das. Männer und Frauen gibt es überall und gab es immer. Aber welche Rollen sie haben, das kann ganz schön variieren. Denn nicht die Steinzeit und auch nicht die Gene legen fest, was männlich und was weiblich ist, sondern wir selber sind das. Indem wir – als Frauen und als Männer – sind, wie wir sind: Heute so und morgen vielleicht schon ganz anders.