Antje Schrupp im Netz

Buddhismus-light

Siehe auch: Infos zum Buddhismus

Er ist schon eine mühsame Angelegenheit, der Weg des Buddhismus. Stundenlanges Meditieren in unbequemen Stellungen, eine asketische Lebensführung, der Verzicht auf materielle Güter und Bestrebungen – all das klingt ja eigentlich nicht so, als ob es in der postmodernen westlichen Welt Fuß fassen könnte. Aber keine Sorge: Der Markt hält durchaus etwas bereit für diejenigen, die Karrierestreben mit Entspannungsmeditation, großstädtische Arroganz mit fernöstlicher Weisheit verbinden wollen: Die modische Variante des Buddhismus light.

Die entsprechende Literatur hält längst nicht mehr nur die einschlägige, sondern jede x-beliebige Buchhandlung bereit. Das schöne Bändchen »Zen – Die Kunst zu lenken, ohne zu denken« erklärt den Trick: »Japans Wirtschaftserfolge« ist da zu lesen, »bleiben ohne Zen unverständlich« – brauchen wir also flächendeckende Buddhismuskurse für deutsche Manager, um konkurrenzfähig zu bleiben? Für den Fall, dass ihnen der Lotussitz für den Anfang etwas schwer fallen könne, ist jedenfalls gesorgt: Aufwendig bebilderte Anleitungen zum Buddhist-Werden-im-Schnellverfahren belehren darüber, dass es zunächst auch der »halbe« Lotossitz tut, wenn es für den »vollen« noch nicht reicht.

Es sind gerade die Erfolgreichen, die Gewinner des marktwirtschaftlichen Konkurrenzssystems, die sich für Buddhismus und für fernöstliche Weisheiten generell interessieren. Sie merken, dass ihr Leben zwischen Terminplaner und Handy zerrieben wird und suchen nach einem Ausweg, der ihnen aber nicht den Verzicht auf ihre Privilegien abnötigen soll.

Da kommt die starke Betonung der Individualität in der buddhistischen Weltanschauung gerade recht. Was angesichts des hinduistischen Kastenwesens, das die Einzelnen in das Korsett ihrer sozialen Herkunft zwang, noch eine wahrhaft revolutionäre Haltung war, wird in westlichen Industriegesellschaften leicht zur Absolution für den Egoismus. Erlösung ist ja sowieso nicht kollektiv, sie betrifft nicht die Gesellschaft, sondern erstmal nur mich. Nicht die Letzten werden die Ersten sein, sondern die Ersten, und ich gehöre dazu. »Aus dem Stress in die Balance« heißt eine Parole des Instant-Buddhismus, es geht darum, »spirituelles Wissen und praktisches Leben in Einklang zu bringen«. Also: Nicht etwa unser Leben wollen wir ändern, sondern unsere spirituelle Einstellung dazu.

Für Einsteiger sei das Bändchen »Buddha for Beginners« empfohlen, das die Grundzüge der schwierigen fernen Weltanschauung in leichtverdaulicher Comic-Form präsentiert. Auch im Bücherregal wird sich das dekorativ ausnehmen, haben doch zuvor schon die in der gleichen Reihe erschienenen Bände »Jesus, Freud oder Marx for Beginners« ihr Scherflein zu unserer spirituellen Bildung beigetragen.


Diese Sendung lief 1996 in hr2