Antje Schrupp im Netz

Adam und Eva

Das Problem fängt im wahrsten Sinne des Wortes bei Adam und Eva an. Schon damals, ganz am Anfang, schuf Gott nämlich klare Verhältnisse: Zuerst kam der Mann, und dann erst die Frau. Aus Adams Rippe ist Eva geschaffen, um ihm zu helfen und zu dienen – so jedenfalls hat es die christliche Tradition lange interpretiert. Aber vielleicht war es auch ganz anders: Antje Schrupp sprach mit der jüdischen Professorin und Rabbinerin Eveline Goodman-Thau über die Schöpfungsgeschichte.

Adam und Eva

Adam war der erste Mann, Eva die erste Frau? Keineswegs, meint Eveline Goodman-Thau:

Im 1. Kapitel Genesis, wo die Rede davon ist, dass Gott den Menschen in seinem Ebenbild schafft, männlich und weiblich, und schuf Adam, Mensch. Jetzt unsere Frage ist natürlich sofort, dieser Adam, ist das Eigenname von Mann oder Mensch? Das 5. Kapitel von Genesis gibt die Antwort darauf, weil dort heißt es, am Tage, wo er sie geschaffen hat, nannte er ihren Namen Adam. Am Tag, wo er sie geschaffen hat. Also überhaupt keine Zweifel daran, dass Adam Mann und Frau ist. Nur der Mann hat sich Adam als Eigennamen angeeignet.

Adam, so die verblüffende Lesart der orthodoxen Theologin, war also gar kein Mann, sondern ein Wesen ohne Geschlecht. »Menschenwesen« ist auch die wörtliche Übersetzung des Wortes »Adam«. Der Mann dagegen, der männliche Mensch also – auf hebräisch »Isch« – erscheint erst viel später auf der Bildfläche. Zunächst ist Adam allein, muss erst noch eine Beziehung zur Welt und zur Natur finden. Gott führt dem Menschenwesen deshalb alle Tiere des Paradieses vor. Aber es ist keines darunter, das zu ihm passt, mit dem es sich austauschen kann.

Dann findet er keine Hilfe gegen ihm. Keinen Gegenpart, welches auch Hilfe sein kann. Die hebräische Sprache sagt ezer kenekdo. Das Wort für ezer, Hilfe, ist dasselbe Wort wie Gott ist mein Helfer. Es mangelt mir an nichts, im Psalm. Gott bringt ihm eine Frau, also aus seiner Rippe kommt eine Frau, das Unsichtbare wird ihm jetzt sichtbar, aber anstatt jetzt zu sagen, danke schön, Gott, dass du mir eine Hilfe gegeben hast, sagt er nur, das ist Knochen von meinem Knochen, Fleisch von meinem Fleisch, sie soll Ischah heißen, weil sie ist von Isch genommen. Also eigentlich erkennt der Mann sich erst als Mann, nachdem Gott ihm eine Frau vorgeführt hat Also seine weibliche Seite, die zusätzliche Schöpfung eines weiblichen Wesens gibt der männlichen Welt ihre Identität. Das ist das A und O des Männerproblems. …. Die Kabbala, die mystische Lehre, hat das sehr schön gesagt, Er gibt ihr die Rippe, und sie gibt ihm die Seele.

Aber die Geschichte geht bekanntlich noch weiter: Die Frau isst vom Baum der Erkenntnis, denn sie will zwischen gut und böse unterscheiden, obwohl Gott das für die Menschen eigentlich nicht vorgesehen hat. Und sie sorgt dafür, dass auch der Mann von dem Apfel isst.

Was passiert nämlich in der Paradiesgeschichte? Drei Sachen: Selbsterkenntnis, Gotteserkenntnis und moralisches Bewusstsein. All diese drei Sachen hat der Mann nicht verstanden, dass er das durch die Frau kriegt.

In christlicher Tradition ist die Sache mit dem Apfel als Sündenfall interpretiert worden. Die böse Eva hat demnach den armen, unschuldigen Adam verführt, und zur Strafe wurden beide aus dem Paradies vertrieben. Im Judentum aber, so Goodman-Thau, werde die Erzählung wird vielmehr als Parabel verstanden. Als Geschichte, die erläutern soll, warum das Leben für die Menschen so viele Probleme und Schwierigkeiten mit sich bringt: Wer zwischen gut und böse unterscheiden kann, ist eben zwangsläufig auch mit dem Negativen konfrontiert – das ist keine Strafe, sondern einfach nur die Lage der Dinge. Dieses menschliche Leben mit all seinen Problemen, so Goodman-Thau, könne nur im religiösen Dialog der Geschlechter bewältigt werden. Die Männer müssten verstehen, dass sie ohne die Frau als Gegenüber weder zur eigenen Identität finden, noch eine Beziehung zur Welt und zu Gott haben können. Aber auch die Frauen hätten noch einiges zu lernen:

Also darum bin ich der Meinung, dass der Dialog, wenn wir jetzt beide mal erwachsen werden können, nicht wir als Frauen immer wieder erwarten, dass wir die Erlösung von den Männern bekommen, dass wir die Erkenntnis von den Männern bekommen, und dass wir einen Vermittler haben wollen, müssen wir uns daran erinnern, dass in der Bibel zwischen Mann und Gott die Frau. Zwischen Mann und Gott steht die Frau. In der Tradition dreht es sich um, auch im Judentum, und zwischen Frau und Gott steht der Mann.


Radiosendung am 31.5.2004 in hr1

Komplettes Interview mit Eveline Goodman-Thau