Antje Schrupp im Netz

Newsletter vom 20. Januar 2007

1. Chiquinha Gonzaga, die Erfinderin der Karnevalsmusik

Chiquinha Gonzaga habe ich vor einigen Jahren »kennengelernt«, als ich in Brasilien lebte und abends im Fernsehen immer eine historische »Miniserie« über sie lief. Ich war gleich fasziniert. In der Tat hatte Chiquinha ein wahrlich filmreifes Leben: 1847 geboren, brach sie mit 20 aus einer unglücklichen Ehe aus und folgte ihrer Leidenschaft, der Musik. Sie wurde eine bekannte Pianistin und Komponistin und war 1899 die erste, die einen richtigen Karnevalshit geschrieben hat. Außerdem war sie politisch aktiv, führte ein unkonventionelles Leben und ist so in vielerlei Hinsicht inspirierend. In Brasilien ist Chiquinha Gonzaga inzwischen sehr bekannt und bewundert, in Europa aber fast unbekannt. Deshalb versuche ich immer mal wieder, etwas über sie in den Medien unterzubringen. Demnächst ist es wieder soweit: Passend zur »fünften Jahreszeit« sendet der WDR5 in der Reihe »Starke Frauen« im Rahmen der Sendung »Neugier genügt« ein Porträt.

Das Porträt läuft am Donnerstag, 15. Februar, um 11.35 Uhr auf WDR5 (und wird am Freitag früh um 6.15 Uhr wiederholt). In dem Zusammenhang eine Bitte: Könnte vielleicht jemand die Sendung für mich aufnehmen und mir CD oder Kassette schicken? – das wäre wirklich ausgesprochen nett! Ich wohnte nämlich nicht im Sendegebiet ☺). Einen älteren Beitrag über Chiquinha, die 2002 im HR2 lief, sowie ihren Lebenslauf findet Ihr im Internet unter antjeschrupp.de/chiquinha-gonzaga.

2. Pop im Sinne des Propheten

Hier ist ein Buch, das ich allen, die im interkulturellen und interreligiösen Dialog engagiert sind, wärmstens empfehle: Julia Gerlachs Studie »Zwischen Pop und Dschihad. Muslimische Jugendliche in Deutschland«. Darin beschreibt sie die Entstehung einer pop-islamischen Bewegung, die vorangetrieben wird von engagierten, meist gut ausgebildeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Sie wollen Religion und Karriere, Trendbewusstsein und islamische Traditionen, Bekenntnis zur Herkunftskultur und Integration in Europa miteinander vereinbaren. Dafür hat Gerlach, die Politik- und Islamwissenschaftlerin ist, viele Interviews geführt, sich durch arabische Soaps und Talkshows gezappt, mit Vertreterinnen und Vertretern muslimischer Organisationen gesprochen und ist durch zahlreiche Internetforen gesurft. Das sind Einblicke in Debatten, von denen die deutsche »Mehrheitsgesellschaft« normalerweise nur wenig mitbekommt.

Julia Gerlach: Zwischen Pop und Dschihad. Muslimische Jugendliche in Deutschland. Chr. Links Verlag, Berlin 2006, 16,90 Euro. Eine Rezension von mir ist in der Frankfurter Rundschau erschienen.

3. »Under Cover«. Das Geschlecht in den Medien

Habt Ihr den neuen James Bond gesehen? Das war ja eine interessante Wandlung eines typisch männlichen Genres (Bond beherrscht die Technik und sexy Frauen kleben an ihm wie die Fliegen) hin zu einem Frauenfilm (Bond verliebt sich, muss vollen Körpereinsatz bringen und muss sich auch noch dauernd von den Frauen sagen lassen, sein Ego sei zu groß). Die Metapher des Geheimagenten, der »Under Cover« unterwegs ist, hat die Literaturwissenschaftlerin Bettina Mathes für ihre Studie über Geschlechtercodes in den Medien gewählt. Ihre These ist, dass nicht nur die Inhalte von Medien – also wie Frauen und Männer dort dargestellt werden – geschlechtlich kodiert sind, sondern auch die Medien selbst. Schriftsprache, Film, Malerei sind ihrer Ansicht nach nicht geschlechtsneutral, sondern geben Auskunft über ein »mediales Unbewusstes«, das mit den Geschlechtskörpern vielfältig verknüpft ist. Ein sehr interessantes, wenn auch nicht leicht zu lesendes Buch, das mir viele Anstöße gegeben hat.

Bettina Mathes: Under Cover. Das Geschlecht in den Medien. transcript-Verlag, Bielefeld 2006, 183 S., 23,80 Euro. Meine Rezension findet ihr im Forum www.bzw-weiterdenken.de in der Rubrik »Bücher« oder direkt unter http://www.bzw-online.de/artikel-7-37.htm.

4. »Busenfreundinnen«. Ein Film über Brustkrebs und schwierige Kommunikation

Schon lange beschäftigt sich die Filmemacherin Gabriele Schärer mit den Wechselwirkungen zwischen feministischer Praxis und dem Alltagsleben von Frauen. Manche von euch kennen vielleicht ihren Film Sottosopra, in dem sie im Gespräch mit Protagonistinnen der Frauenbewegung dem »Ende des Patriarchats« auf der Spur ist. In ihrem neuesten Filmprojekt hat sie sich des heiklen Themas Brustkrebs angenommen. Ich sprach mit ihr über ihre Motive und ihre Erfahrungen.

Das Interview mit Gabriele Schärer unter dem Titel »Vorher fühlte ich mich unversehrt« steht auf www.bzw-weiterdenken.de in der Rubrik »Filme«. Der direkte Link ist: http://www.bzw-online.de/artikel-9-35.htm

5. Grundeinkommen für alle

Das Thema Grundeinkommen ist in den letzten Monaten ja wieder breit diskutiert worden. Für mich wird dabei immer deutlicher, dass es hierbei wirklich nicht nur um eine finanzielle, wirtschaftspolitische Frage geht, sondern um das Menschenbild und letztlich um die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wo könnten wir den finden, wenn nicht länger in der Erwerbsarbeit? Und inwiefern sind Frauen hierbei Protagonistinnen? Mit dem Thema Zukunft der Arbeit beschäftigt sich auch das neue Heft der »efi« (Evangelische Fraueninformation Bayern), zu dem ich einen Artikel beigesteuert habe.

Der Text mit dem Titel »Grundeinkommen für alle. Visionen für neue Modelle vom Leben und Arbeiten« steht auch im Internet unter antjeschrupp.de/grundeinkommen-efi.

6. Kann jemand vielleicht persisch?

Zum Schluss noch eine schöne Sache: Anfang Januar hat sich die 500. Newsletter-Abonnentin in die Datenbank eingetragen – sicher ist dieser kontinuierliche Anstieg von Interessierten auch euren Empfehlungen zu verdanken! Herzlichen Dank daher von meiner Seite an euch. Und da wir nun schon so viele sind, hat vielleicht auch folgendes Anliegen Aussicht auf Erfolg: Kürzlich bekam ich eine Anfrage von einem iranischen Internetforum, ob sie dort meinen Artikel »Utopie konkret« in persischer Sprache aufnehmen könnten. Ich habe zugesagt, und der Artikel soll inzwischen online stehen. Nun würde mich durchaus interessieren, was das für ein Forum ist und in welchem Kontext mein Artikel dort vorkommt. Falls unter euch tatsächlich jemand persisch kann und bereit wäre, mal einen Blick darauf zu werfen, wäre ich dankbar.

Das Forum hat die Adresse: http://iran-emrooz.net